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Zoff im Detailhandel: Sonntagsverkauf laugt Angestellte aus
Aus Kassensturz vom 22.12.2015.
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Arbeit Zoff im Detailhandel: Sonntagsverkauf laugt Angestellte aus

Einkaufen, wann immer man will. Nicht nur an Weihnachten, auch unter dem Jahr bleiben die Ladentüren immer länger offen. Befürworter wollen damit den Einkaufstourismus bekämpfen. Auf dem Buckel des Verkaufspersonals.

Abendverkauf, Sonntagsverkauf, Nightshopping: In der Vorweihnachtszeit laufen Läden und Konsumenten auf Hochtouren. Kunden können praktisch durchgehend einkaufen. Doch dieses Jahr ist das den Detailhändlern nicht genug. Die Geschäfte sollen auch am 27. Dezember – am Sonntag nach Weihnachten – offen sein.

Das plante zum Beispiel die Shopping-Arena in St. Gallen. Doch das Verkaufspersonal wehrte sich und holte Hilfe bei der Gewerkschaft Unia. Die zuständige Unia-Regionalsekretärin Nicole Stamm hat den Widerstand gegen den nachweihnachtlichen Sonntagsverkauf organisiert. «Wir mussten etwas unternehmen. Dieses Jahr gibt es die schöne Konstellation, dass die Verkäuferinnen drei Tage am Stück frei haben, und es kann nicht sein, dass man ihnen auch diese drei Tage noch wegnimmt», sagt Nicole Stamm. Der Kanton St. Gallen hat schliesslich im Sinne der Angestellten entschieden: Am 27. Dezember bleiben alle Läden im ganzen Kanton geschlossen.

Bereits im Januar geht’s wieder los

In anderen Kantonen wie in Zürich, Thurgau oder Bern werden einige Schoppingcenter und Warenhäuser an besagtem Sonntag ihre Türen öffnen.

Doch auch die Shopping-Arena in St. Gallen lässt mit dem nächsten Sonntagsverkauf nicht lange auf sich warten: Bereits eine Woche später, am 3. Januar, klingeln die Kassen wieder sonntags.

Viele Verkäuferinnen kommen da an ihre Grenzen. Zum Beispiele diese Angestellte, die «Kassensturz» bei der Unia-Regionalsekretärin in St. Gallen antrifft: «Für uns bedeuten längere Öffnungszeiten keinen höheren Lohn. Ausserdem haben wir Verkäufer die gleichen Bedürfnisse wie alle Angestellten. Wir möchten auch Zeit mit unseren Familien verbringen. Die immer längeren Ladenöffnungszeiten machen ein Familienleben sehr schwer, vor allem für Mütter und Alleinerziehende.»

Immer wieder Sonderbewilligungen

Auch Natalie Imboden von der Unia-Hauptzentrale in Bern weiss von der immer grösseren Belastung bei kaum mehr Lohn: «Wir beobachten eine massive Verschlechterung für die Angestellten im Detailhandel. Sie müssen teilweise sieben Tage arbeiten, am Abend haben sie sehr lange Ladenöffnungszeiten.» Für Familie oder Freizeit bleibe abends kaum mehr Zeit.

Dennoch wurden die Ladenöffnungszeiten in den letzten Jahren immer mehr ausgedehnt – je nach Kanton gelten aber andere Gesetze.

Grundsätzlich gilt in der Schweiz ein Arbeitsverbot an Sonntagen – auch im Verkauf. Doch es gibt immer mehr Ausnahme-Bewilligungen. Zum Beispiel:

  • 2005: Bewilligung des Sonntagsverkaufs in Bahnhöfen und Flughäfen
  • 2008: Maximal vier Sonntagsverkäufe pro Jahr für alle Detailhändler in der Schweiz
  • 2013: 24-Stunden-Betrieb in den Tankstellenshops, auch sonntags
  • 2015: Lockerung des Sonntagsverkaufs-Verbots für touristische Regionen. Tourismusverbände und Detaillisten kämpfen derzeit stark für eine Ausweitung der Tourismus-Regionen.

Und es geht noch weiter: Detailhändler wollen die Ladenöffnungszeiten national ausdehnen. Wochentags mindestens bis 20.00 Uhr und samstags bis 18.00 Uhr.

Wundermittel gegen Einkaufstourismus?

Für diese Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten setzt sich zum Beispiel Martin Schläpfer, Vertreter der Interessengemeinschaft Detailhandel, im Parlament ein. Der Migros-Cheflobbyist ist überzeugt, dies sei ein unverzichtbares Rezept gegen die steigenden Umsatzeinbussen durch den Einkaufstourismus: «Die Nachbarländer haben flexible Ladenöffnungszeiten, Italien zum Beispiel hat am Sonntag sogar offen, Frankreich liberalisiert den Sonntag auch.» Schläpfer denkt zudem nicht, dass das Personal überall so überlastet sei: «Die Arbeitsbedingungen im Detailhandel sind ja gut, das bestätigen auch die Gewerkschaften, mindestens in Bezug auf die beiden Grossen.»

Natalie Imboden von der Unia kann mit dieser Begründung nichts anfangen: «Wir haben in den letzten Jahren festgestellt, dass Konsumenten in Kantonen mit langen Ladenöffnungszeiten auch ins grenznahe Ausland einkaufen gehen. Die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten verhindert keinen Grenzeinkaufstourismus.» Entscheidend seien viel mehr die tieferen Preise im Ausland. Das sieht Martin Schläpfer von der Interessengemeinschaft Detailhandel anders. Nach seinen Erfahrungen würden die längeren Ladenöffnungszeiten sehr wohl mehr Umsatz bringen: «Wir wissen genau, wie sich die Kunden verhalten, das wird ja auch erforscht.»

Der Kampf um die Ladenöffnungszeiten geht also weiter. Auch im kommenden Jahr.

Sind längere Öffnungszeiten sinnvoll? Schreiben Sie uns Ihre Meinung und Ihre Beobachtungen auch ins Kommentarfeld!

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