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Ausverkauf der Sicherheit: Billige Private anstelle der Polizei
Aus Kassensturz vom 21.04.2015.
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Familie und Freizeit Mehr privates Sicherheitspersonal als Polizisten

Immer mehr Gemeinden lagern polizeiliche Aufgaben an Private aus – um Kosten zu sparen. In der Zwischenzeit gibt es mehr Angestellte, die in Uniformen von Sicherheitsfirmen stecken, als Polizisten. Das Gewaltmonopol wird so aufgeweicht. Ein Kritiker redet im «Kassensturz» von einem «Gewalt-Markt.»

In der Schweiz sorgen rund 17‘800 Polizistinnen und Polizisten für Sicherheit. Rund 1000 Angestellte weniger als private Sicherheitskräfte. Nach neusten Zahlen des Bundesamtes für Statistik aus dem Jahr 2012 waren schon damals 18‘900 Mitarbeiter in der Bewachungs- und Sicherheitsbranche tätig. Die Jahre zuvor nahm die Mitarbeiterzahl jährlich um 1000 Personen zu.

Staatliches Gewaltmonopol wird zu privatem Gewaltmarkt

Diese Entwicklung kritisiert Markus Mohler, ehemaliger Dozent für Sicherheits- und Polizeirecht an den Universitäten Basel und St. Gallen. Die vielen privaten Sicherheitskräfte in den Gemeinden würden zu einer Scheinsicherheit beitragen. Sie seien aber gar nicht befugt, Sicherheit und Ordnung durchzusetzen. Diese Massnahmen seien polizeihoheitliche Aufgaben: «Man kann nicht einfach jemanden fragen, wer bist du, wann bist du geboren, wo gehst du hin, wo wohnst du? Auch das gehört zu den rein hoheitlichen Aufgaben». Diese bräuchten eine gesetzliche Grundlage. «Da sehe ich schon gewisse Gefahren, dass aus unserem staatlichen Gewaltmonopol ein privater Gewaltmarkt wird», warnt der ehemalige Polizeikommandat von Basel-Stadt, Markus Mohler.

Beispiel Baselland: Der verlängerte Arm der Gemeinde

«Kassensturz» begleitet eine Zweierpatrouille der «24 Security» in Hölstein BL. Seit kurzem übernehmen die Mitarbeiter in schwarzer Uniform Aufgaben, die früher die Polizei ausführte. Ein Trend, der in immer mehr Gemeinden der Schweiz Einzug hält. «Wir sind ein verlängerter Arm der Gemeinde», sagt der Privat-Sicherheitsmann Dirk Weber.

Neben Kontrollen beim Gemeindehaus und Schulanlagen, patrouillieren die Teilzeitmitarbeiter im Dorf. «Wir weisen auch Personen von öffentlichen Plätzen weg, wenn wir das Hausrecht haben und wenn die Personen sich zu einer gewissen Zeit nicht auf diesem Gelände aufhalten sollten.» Von solchen Personen erfassen die Sicherheitsmitarbeiter auch Personalien.

Zwielichtige Personen in Uniformen

Weigern sich Betroffene allerdings die Anordnungen der privaten Sicherheitsangestellten zu befolgen, müssen sie die Polizei rufen. Es ist Privaten untersagt, Personen zu kontrollieren oder festzuhalten.

Die Mitarbeiter von «24 Security» bestätigen, was «Kassensturz» schon mehrmals berichtete: In der Branche sei bekannt, dass in Uniformen von privaten Sicherheitsfirmen auch zwielichtige Personen stecken. Ob denn private Sicherheitsfirmen die richtigen seien, um polizeiliche Aufgaben zu übernehmen, kommentiert Sicherheitsangestellter Dirk Weber mit: «Es gibt überall Richtige und Falsche. Das ist in jeder Branche so.»

Leistungen der Kantonspolizei zu teuer

Nach einer Revision des kantonalen Polizeigesetzes setzen immer mehr Baselbieter Gemeinden auf private Sicherheitskräfte. Die Stadt Münchenstein folgt diesem Trend, wie andere Gemeinden in der ganzen Schweiz auch. Gemeindepräsident Giorgio Lüthi lehnt eine entsprechende Leistungsvereinbarung mit dem Kanton ab. Einerseits sei es eine Kostenfrage. Mit dem Einsatz von Privaten spare die Gemeinde bis 20‘000 Franken pro Jahr. «Andererseits ist das Modell, dass der Kanton vorgeschlagen hat und in dem die Kantonspolizei einen Teil der Arbeiten übernehmen würde, für uns nicht attraktiv». Die Kantonspolizei würde nur von Sonntagnacht bis Donnerstagmorgen für Ruhe und Ordnung sorgen – am Wochenende wären die Gemeindepolizisten verantwortlich. «So müssten wir für einen 24-Stunden-Dienst von heute vier Polizeimitarbeitern auf zwölf aufstocken.»

Diese Sparmassnahmen beobachten Rechtsexperten mit Argwohn. Markus Mohler zum Beispiel kritisiert:«Langsam wissen unsere Einwohner des Landes nicht mehr, wer eigentlich was machen darf: Wer darf mich befragen, wer darf mich einschränken?»

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Aus Kassensturz vom 21.04.2015.
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