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Bewohner stirbt, Heim kassiert 30 Tage weiter
Aus Espresso vom 07.08.2014. Bild: Colourbox
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Familie und Freizeit Bewohner stirbt, Heim kassiert 30 Tage weiter

Stirbt ein Bewohner, verlangen einige Altersheime noch 30 Tage lang Geld fürs Zimmer. Andere begnügen sich mit drei Tagessätzen. Patientenschützer fordern eine einheitliche Regelung.

Karin Oberholzer starrt ungläubig auf die Rechnung. Über 3000 Franken soll sie dem städtischen Altersheim in Zürich für das Zimmer überweisen, wo ihre Schwiegermutter vor ein paar Wochen verstarb. «Ich war überzeugt, das muss ein Rechnungsfehler sein». Zur Sicherheit ruft sie trotzdem beim zuständigen Heim an und erfährt: Es handelt sich keineswegs um einen Fehler. In allen Altersheimen der Stadt Zürich müssen die Patienten noch bis zu 30 Tage nach dem Tod für ihr Zimmer bezahlen. Das ist gesetzlich vom Stadtrat so vorgegeben.

Zimmerkosten bis zu 30 Tage nach Todeszeitpunkt

Und dieser Monat sei auch dringend nötig, sagt Barbara Hohmann Beck, Vizedirektorin aller Altersheime der Stadt Zürich. In dieser Zeitspanne können Angehörige Abschied nehmen und das Zimmer räumen. Ausserdem müssten die Zimmer gereinigt und teilweise auch renoviert werden.

Karin Oberholzer und ihr Mann aber räumten das Zimmer nur wenigen Tage nach dem Tod. Danach stand es leer. «Warum also soll ich für ein leeres Zimmer bezahlen?», fragt sich die «Espresso»-Hörerin.

Leerstehendes Zimmer? Verstorbene bezahlt

«Der neue Bewohner braucht auch seine Zeit, bis er eingezogen sei», rechtfertigt Barbara Hohmann Beck die 30-tägige Frist. Falls der Nachmieter früher einzugsbereit ist, werde natürlich nur die Zeit bis zum Einzug verrechnet, sagt Hohmann-Beck weiter.

Karin Oberholzer traut ihren Ohren nicht. Ihre verstorbene Schwiegermutter soll für die Zeit aufkommen, die der Nachmieter für den Einzug braucht? «Diese Kostenabwälzung ist inakzeptabel!»

Altersheim Kantengut zehnmal günstiger als Stadt Zürich

Dass es auch anders geht, zeigt ein Beispiel aus dem Kanton Graubünden. Im Altersheim Kantengut in Chur müssen die Bewohner nur gerade drei Tage nach dem Tod für die Kosten des Zimmers aufkommen. «Das reicht gut», meint Heimleiter Jean-Pierre Liesch. Wobei die drei Tage eher für die Angehörigen gedacht seien um das Zimmer zu räumen. Für alle Reinigungs- und Renovationsarbeiten sei eine Pauschale auszurichten, die zusammen mit den drei Tagen ca. 480 Franken betrage, sagt Jean-Pierre Liesch. Dass die Stadt Zürich fast zehnmal so viel von ihren verstorbenen Patienten abknüpft, kann der Heimleiter nicht nachvollziehen: «Die verstorbene Person kann schliesslich nichts dafür, wenn das Bett in nützlicher Frist für das Haus nicht neu belegt werden kann.»

Patientenstelle fordert einheitliche Regelung

Drei Tage, zwei Wochen, ein Monat – Eine Stichprobe von «Espresso» hat gezeigt: Wie lange man nach dem Tod für das Zimmer bezahlen muss, ist je nach Alters- und Pflegeheim unterschiedlich. Das will Erika Ziltener, Präsidentin der schweizerischen Patientenstellen, ändern. Sie fordert eine einheitliche Regelung auf Bundesebene: «Eine Woche nach Tod für das Zimmer zu bezahlen, ist gerechtfertigt. Alles andere gehört in die Kalkulation des Heimes».

Vereinheitlichung nicht praxisgerecht

Beim Dachverband der Schweizerischen Alters- und Pflegeheime Cura Viva hält man gar nichts von einer Vereinheitlichung der Tarife. Der Wunsch nach Übersicht sei zwar nachvollziehbar, sagt der Kommunikationsleiter von Cura Viva Dominik Lehmann, in der Praxis aber nicht umsetzbar. «Viele meinen, jedes Institut sei genau gleich ausgerüstet, aber das ist überhaupt nicht der Fall. Viele Pflegeheime beispielsweise sind spezialisiert auf besondere Krankheitsbilder und haben dafür auch das nötige Equipment. Bei einem Todesfall kann die ganze Maschinerie, die im Hintergrund läuft, nicht einfach heruntergefahren werden.»

30 Tage angemessen, aber an der oberen Grenze

30 Tage seien aus diesem Grund angemessen, aber schon eher an der oberen Grenze gibt Dominik Lehmann von Cura Viva zu.

Stichprobe: Was verlangen Alters- und Pflegeheime für Todesfälle?

AltersheimKantonVerrechnungsdauer nach Todesfall *Pauschale in CHF
Stadt ZürichZHMaximal 30 Tage-
Alterszentrum SurhardAGMaximal 14 Tage450.-
Altersheim Golatti + HéroseAGMaximal 5 Wochen-
Altersheim LeimattBE5 Tage450.-
DomicilDiverseAb Todestag Leerbettgebühr von 151.25 CHF, bis Zimmer geräumt ist (Normalfall: 1-2 Wochen)200.-
Altersheim HofmattBEMaximal 30 Tage500.-
Altersheim Apheim IllanzGR5 Tage250.-
Altersheim Bodmer ChurGRMaximal 30 Tage-
Altersheim Kantengut ChurGR3 Tage300.-
Altersheim UnterlöchliLUBis Ende Monat, max. 15 Tage (auch wenn das Zimmer vorher geräumt wird)-
Alterszentrum TschannLUMax. 30 Tage345.-
Alterszentrum FrauenfeldTG5 Tage1000.-

* mit reduzierter Hotellerietaxe

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