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Bühne Der Tod – etwas Schönes? Zumindest in der Oper

Regisseur Alvis Hermanis hat im Schiffbau Zürich einen ganzen Abend den «Schönsten Sterbeszenen in der Geschichte der Oper» gewidmet: mit sieben Schauspielern und einem Plattenspieler. Eine Inszenierung mit Humor, der etwas Zentrales fehlt: die Angst vor dem Sterben.

Rollstühle, ein Spitalbett, eine in Licht getauchte, weisse Loggia mit viel Glas: Ein typisches Hermanis-Bühnenbild erwartet den Besucher von «Die Schönsten Sterbeszenen in der Geschichte der Oper» in der Box des Schiffsbaus in Zürich. Drei Frauen und drei Männer stehen auf der Bühne. Die Maske hat sie auf sehr alt getrimmt – mit Altersflecken, Runzelhaut und strohig weissem Haar. Diese Alten hören sich Platten an, schwärmen vom schönen Sterben der Traviata, des Pagliaccio oder der Tosca. Und weil sie diese Szenen gut kennen, spielen sie sie teilweise nach.

Link zur Aufführung

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Tosca stürzt sich in die Tiefe, Carmen wird vom eifersüchtigen José erstochen: Das Stück «Die Schönsten Sterbeszenen in der Geschichte der Oper» wird vom 1. -19. April in der Box im Schiffbau Zürich aufgeführt.

Der Film «Bacio die Tosca» lässt grüssen

Der Zuschauer merkt: Es war klare Absicht von Alvis Hermanis, dem Sterben – das in der Regel nur auf der Opernbühne «schön» ist – etwas Leichtes entgegenzusetzen. Das hat bisweilen Loriot’sche Qualität, etwa wenn einer der Alten über eine Sterbearie rüsselt: «Wenn der sich mit dem Sterben nicht ein bisschen beeilt, sterben wir ja noch vor ihm.»

Deutlich erkennbar sind auch die Anspielungen auf Daniel Schmids Film «Bacio di Tosca», in dem die Bewohner eines Altersheims bei Mailand alte Opern nachspielen und singen. Die Aufführung in Zürich ist ein Balance-Akt zwischen Humor und einer anderen Motivation Hermanis': Aufzuzeigen, dass die Oper eine «universelle Konzentration menschlichen Lebens» ist, wie er selbst einmal sagte.

Der Zuschauer am Zweifeln

Ein alter Mann auf einem Tisch. Eine ältere Dame liegt auf seinem Schoss und ebenfalls auf dem Tisch.
Legende: So sieht das theatralische Sterben aus. Tanja Dorendorf / T+T Fotografie

Von der Dramaturgie her hat Alvis Hermanis die Szenen gut miteinander kombiniert. Das fliesst von der spanischen Gazpacho-Suppe zu Carmen und von den abendlichen Pillen für die Altersheimbewohner zum Gifttrank bei Tristan und Isolde.

Tiefer aber geht die Verbindung vom hiesigen Altern, Alt-Sein, Bald-Sterben-Müssen der «hiesigen» Figuren und den Sterbeszenen in der Oper nicht. Das liegt am realistischen Theaterbegriff, wie ihn Alvis Hermanis pflegt. Dennoch: Hören sich die Alten im Heim wirklich so viele Opern an, tanzen sie wirklich auf den Tischen? Als Zuschauer hat man da so seine Zweifel.

Was fehlt: Die Angst vor dem Sterben

Der Aufführung in Zürich zwischen Humor und Hermanis‘ Wunsch aufzuzeigen, dass die Oper eine «universelle Konzentration menschlichen Lebens» sei, fehlt etwas Zentrales: die Angst vor dem Sterben. Die Bedrohung. Das Schöne, wie es der Titel meint – auch das hört man mehr in der Musik, als dass man es auf der Bühne sieht. Insgesamt ein Abend mit szenisch gut zusammengesponnener Musik. Aber der Transzendenz, die das Thema eigentlich verlangt, wird das Stück nicht gerecht.

Sendung: SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 23.3.2015, 8.10 Uhr.

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