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Bühne «Homo Faber» als Tanztheater: tragisch, düster, berührend

Max Frischs «Homo Faber» für einmal als Tanzstück: Der Choreograf Felix Landerer hat sich dem Romanklassiker angenommen und macht damit seinem Ruf als Shootingstar der Tanzszene alle Ehre. In seiner Inszenierung zeigt er sich als Meister des Rhythmus.

Wie schafft es ein Choreograf, einen ausgewachsenen Roman auf eine Stunde Tanz einzudampfen, ohne diesem Gewalt anzutun? Indem er auf die Hauptpersonen des Werks fokussiert und deren Beziehungen und Befindlichkeiten herausarbeitet.

Weltbild ohne Raum für Einfühlung und Zufälle

Der Choreograph Felix Landerer interessiert sich für Gefühle. Insbesondere die unterdrückten seines Protagonisten Walter Faber. Der ist Ingenieur, sein rationalistisches Weltbild lässt keinen Raum für Einfühlung und Zufälle. «Homo Faber», so auch der Titel des Tanzstücks, ist ein Begriff für den schaffenden, der Logik verpflichteten Menschen.

Vier Tänzer tragen eine Frau.
Legende: Eine Inszenierung von griechischer Trägödienwucht. Konzert Theater Bern / Philipp Zinniker

In Max Frischs gleichnamigen Roman ist das der Mann. In Opposition dazu stehen die Frauen Fabers: Hanna, die grosse Jugendliebe, Ivy, seine aktuelle, gescheiterte Beziehung und die noch sehr junge Sabeth.

Letztere lernt Faber auf einer Schiffsreise von New York nach Europa kennen, verliebt sich in sie, ohne zu ahnen, dass sie seine Tochter ist. Als sie bald darauf auf tragische Weise stirbt, gibt sich Faber die Schuld an ihrem Tod.

Faber wird die Geister nicht los

Düster ist das Stück und von griechischer Trägödienwucht: Es spielt in einer Traumwelt zwischen Erinnerungen, Bedrohung und Schmerz. Der Ausstatter Till Kuhnert hat an der Rückwand verschieden grosse, weisse Boxen aneinandergereiht. Auf den ersten Blick wirken sie wie die Skyline einer anonymen Grossstadt. Deren Flächen werden zur Projektionsfläche (Video: Marc Seestaedt). Als mobile Kuben ins Bühnenzentrum geschoben werden sie zum Erinnerungskosmos.

Pas de deux.
Legende: Den Choreographen interessieren die Gefühle zwischen Homo Faber und seiner Sabeth. Konzert Theater Bern / Philipp Zinniker

Ivy ist in einem Schaufenster in rosa Reifrock zur Wachspuppe erstarrt. Unsanft greift ihr Faber (Vittorio Bertolli) ans Kinn, um sie auf Distanz zu halten. Es ist ein eingefrorener Moment aus dem Leben Fabers, wie unter der Glasglocke, unwirklich nahe. Unheimlich langsam wiederholt sich vor unseren Augen eines seiner kleinen Dramen.

Ganz anders, wenn er mit Sabeth tanzt. Da weicht seine Eckigkeit, und sein Körper wird weicher. Zärtlich hält sie seinen Kopf zwischen ihren Händen.

Mörderisch schnelle Tänzer

Landerer ist ein Meister des Rhythmus, verzögert und lässt seine Tänzer im Gegenzug mörderisch schnell agieren. Wieselflink wuseln die vier Schatten Fabers wie Ratten aus den Zwischenräumen der Kuben hervor. Auch den Frauen sind je eine Schattenfigur beigestellt. Das ergibt unzählige Spielmöglichkeiten. So stürzt Sabeth wiederholt ins Bodenlose, und Faber muss zusehen, wie einer seiner Schatten vor seinen Augen einen blindwütigen Veitstanz vollführt.

Er selbst ist es, der innerlich rast. Doch die Schuld lässt sich nicht tilgen, der Schmerz zwingt Faber nieder. Zu elektronischer Musik und Motorengeräuschen (Komposition: Christof Littmann) tastet sich der Mann mechanisch durch den Raum. Seine Erinnyen wird er nicht mehr los.

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