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Philo-Slam Philo-Slam: Das ist mein Lieblingsphilosoph (Teil 1)

Mit manchen Philosophen hat man fast so etwas wie eine Beziehung. Manchmal hält die ein Leben lang. Wir haben die Kandidaten vom diesjährigen Philo-Slam gefragt: «Wer ist Ihr Lieblingsphilosoph und warum?» Herausgekommen sind sehr persönliche Antworten.

Portrait Lene Morgenstern
Legende: Lene Morgenstern bei einem Auftritt im Südtirol. Felix Blasinger

Lene Morgenstern und ihre Lieblingsphilosophen

«Wenn ich mir die Welt so anschaue, dann denke ich mir, dass der Mensch, je mehr die Welt aussen bricht, einen Leuchtturm innen gut gebrauchen kann. Ich könnte da jetzt nicht einen Philosophen, eine Philosophin alleine empfehlen, so ein Turm besteht aus vielen Steinen, und dabei liegen die anderen auf den einen. Und sie haben nicht alle denselben Zweck, denn bei so einem Leuchtturm geht es um Stabilität, ja, aber auch um wendige Treppen, damit man ihn dann auch besteigen kann. Und um Fenster und Balkone, und oben drauf hätte ich dann irgendwann gerne eine schöne Aussichtsplattform.

Buchhinweise

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  • Alain Badious: «Lob der Liebe». Passagen Verlag, 2011.
  • Alain Badiou, Slavoj Žižek: «Philosophie und Aktualität – Ein Streitgespräch». Passagen Verlag, 2005.
  • Viktor E. Frankl: «Trotzdem Ja zum Leben sagen». dtv, 1982.
  • Madame du Chatelet: «Rede vom Glück». Friedenauer Presse, 1999.

Die Turmbasis besteht aus Werken der Philosophen aus dem antiken Griechenland. Darauf kommen die klassischen Steine. Dazwischen gute Literatur. Und der Mörtel, der das Ganze zusammenhält, den mischen wir mit Neugierde und Achtsamkeit aus dem Sand, den wir an unseren Schuhsohlen nach Hause tragen.

Mittels welcher Erkenntnistheorien auch immer wir die Welt erkennen können oder sollen oder wollen, ich brauche dazu derzeit unbedingt, wann immer möglich, jedenfalls auch ganz einfach die einfache Natur: die Berge, die Seen, die Wiesen, die Bäume, die Wege. Und meinen kleinen Garten, in dem ich das Werden und Vergehen beobachten, aber auch säen und pflegen und ernten und verräumen kann. Und eine Bank und etwas Zeit braucht es auch.

Darauf könnte man zum Beispiel Alain Badious «Lob der Liebe» lesen, um die Freude zum Risiko (wieder) zu gewinnen, das unserem Leben Sinn und Intensität verleihen kann. Sämtliche Interviews mit Slavoj Žižek, weil er seine Gedanken zu aktuellsten politischen Themen gekonnt und radikal ins Rampenlicht schmeisst. Auch Viktor E. Frankls «Trotzdem Ja zum Leben sagen», weil es Kraft gibt, obwohl es das Grauen aufzeigt. Und Madame du Chatelets «Rede vom Glück», weil darin alles darüber gesagt wird. Und weil sie als Vorbild einer gebildeten Frau im männerdominierten Pool der Philosophie angesehen werden kann.

Alles das würde ich deswegen empfehlen, weil es unsere Entwurzelung nicht verhüllt und nicht schön redet und dennoch da und dort heilt. Und genau aus diesem Grund, und auch das verhülle ich nicht, wären die Philosophen Bob Dylan und Fabrizio de André und die Philosophin Astrid Lindgren auch mit dabei.»

Portrait Gusti Pollak
Legende: Gusti Pollak plädiert dafür, dass die Ökonomie für einmal Ethik und Moral nicht ausblenden möge. ZVG

Gusti Pollak und sein Lieblingsphilosoph

«Mein Lieblingsphilosoph ist Tomáš Sedláček. Und eines meiner Lieblingsbücher ist ‹Die Ökonomie von Gut und Böse›. Sedláček beleuchtet darin das Abhandenkommen der Ethik und Moral in der Geschichte der Ökonomie. Der Autor ist selbst Ökonom und nicht Philosoph, war aber Berater von Václav Havel als tschechischer Präsident – der ja auch nicht in erster Linie als Politiker zu diesem Job kam.

Buchhinweis

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Tomáš Sedláček: «Die Ökonomie von Gut und Böse». Hanser, 2012.

Und so wünsche ich mir im Zeitalter der ökonomisch-ökologisch-sozial-humanitären Dauerkrise, dass alle philosophischen Gedanken, die zur Abhilfe geeignet sind, gebündelt und zur Wirkung gebracht werden können.

Mir gefällt, dass Thales, gemeinhin als erster grosser Philosoph bezeichnet, aufgrund seiner frühzeitigen Wetterbeobachtungen ein Termingeschäft auf eine gute Olivenernte tätigte. Er hatte nichts dagegen, damit reich zu werden, aber er wollte vor allem zeigen, dass ein philosophisch-ganzheitliches Denken über der Ökonomie stehe und sie sich zunutze machen könne. Ich wünsche mir heute das Gleiche – nur umgekehrt: Dass die Ökonomie in ihren Nützlichkeitsdogmen die Philosophie nicht weiter und bis zur Verblendung ausblendet.»

Selfie von Dominik Erhard vor einem Baum in untergehender Sonne.
Legende: Dominik Erhard über die Differenz von nachdenken und nachschlagen. ZVG

Dominik Erhard und sein Lieblingsphilosoph

«Michel Foucault ist ein Denker, welcher mich mit zunehmend prägender Kraft begleitet. Als Schwellenerscheinung zwischen Soziologie, Philosophie und Literaturwissenschaft, empfinde ich seine Ansätze und Gedanken als besonders lohnend für den Umgang mit derzeitigen Entwicklungen, da klare Trennungen hier zunehmend schwer zu treffen scheinen. Wie geht man an das Wissen heran, dass nichts mehr wirklich privat ist?

Buchhinweis

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Michel Foucault: «Schriften in vier Bänden». Suhrkamp, 1984.

Was setzt man einer Macht entgegen, die sich diskursiv in die kleinsten Ritzen unserer Existenz, unserer Kommunikation einschreibt und hier abfängt, was wir gar nicht wahrnehmen? In einer Welt, in der der Satz, dass Wissen Macht sei, nie zuvor so wahr war wie jetzt. Wo ein Wort für eine Suchmaschine auch ein Kinderspielzeug betiteln könnte: Google! Also ehrlich, was soll das sein, das so heisst? Dieses Google-Etwas entscheidet, was wir wissen können, was also existiert. Die Überlegung wie Informationen und Macht zusammenhängen, ist zentraler denn je.

Deshalb Foucault! Deshalb eher nach-DENKEN als nach-SCHLAGEN, was Descartes zum Beispiel mit diesem einen lateinischen Satz gemeint hat.»

Buchhinweis

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Ludwig Wittgenstein: «Gesamte Werkausgabe». Suhrkamp, 1984.

Jakob Steinbrenner und sein Lieblingsphilosoph

«Ludwig Wittgenstein, weil er herausfordert.»

Am Dienstag erscheinen die Antworten der Philo-Slam-Kandidaten Aiana Gennai, Chris Diederich und Benjamin Senn. Am 12. November kann man die Slammer in Biel live erleben beim Philo-Slam 2015, an der Eröffnung der Bieler Philosophietage.

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