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Der Bestatter Luc Conrad und das rätselhafte Anker-Bild

In der aktuellen Staffel des «Bestatters» spielt ein Gemälde eine zentrale Rolle: Albert Ankers «Kinderbegräbnis». Dahinter steht eine tragische Geschichte.

Video
Albert Ankers «Kinderbegräbnis» im «Bestatter»
Aus Kultur Extras vom 10.01.2017.
abspielen. Laufzeit 46 Sekunden.

Keine fünf Minuten vergehen in der ersten Bestatter-Folge, bereits durchdringt schallender Alarm das Kunsthaus Aargau. Doch kein Gemälde wurde entwendet, im Gegenteil: Eines der ausgestellten Kunstwerke erhält makabren Zuwachs.

Ein Babysarg wird von einem Unbekannten unter Albert Ankers Bild «Kinderbegräbnis» von 1860 platziert. Das eindrückliche Gemälde steht im Zentrum der ersten Bestatter-Folge – und wird Luc Konrad noch lange beschäftigen.

Ankers «Kinderbegräbnis» zeigt – gerahmt von Kirchenmauer, Trauerweide und Friedhofsmauer – eine Trauergemeinschaft. Sie ordnet sich um einen kleinen, blumengeschmückten Sarg an einem offenen Kindergrab. Männer, Frauen und Kinder stehen in Gruppen da, suchen Trost. Kinder singen.

Sendehinweis

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Die fünfte Staffel von «Der Bestatter» läuft immer dienstags um 20.05 Uhr auf SRF 1.

Die zentrale Figur im Bild: Der Bestatter. Bedächtig steht er am Fusse des zu klein wirkenden Grabes, den Blick gesenkt. Sein Gewicht auf die Schaufel gestützt, mit der er eben das Grab ausgehoben hat. Daneben liegt noch sein Werkzeug.

In Paris inspiriert

«‹Das Kinderbegräbnis› ist ein wichtiges Bild in Ankers Frühwerk», so die Berner Kunsthistorikerin und Anker-Expertin Therese Bhattacharya-Stettler. «Es ist überdurchschnittlich gross, fast schon monumental.»

Das 1863 gefertigte Bild wurde laut Bhattacharya ein Jahr später am berühmten Pariser Salon ausgestellt. Im selben Jahr wurde die Eingabe von Gustave Courbet, des französischen Malers, der in den 1950er-Jahren mit seinem «Begräbnis von Ornans» Furore gemacht hatte, von der Jury abgelehnt.

Gemälde: Begräbnisszene
Legende: Ankers Inspiration: Gustave Courbets Gemälde «Begräbnis von Ornans». Wikimedia

Bhattacharya-Stettler geht davon aus, dass Courbets Begräbnisszene Anker zu seinem Bild angeregt hat. «Anker verbrachte damals die Winter samt Familie in der Metropole Paris, im Sommer lebte er in seinem bäuerlichen Heimatdorf Ins. Bestimmt kannte er Courbets Werk und war davon inspiriert, als er sein ‹Kinderbegräbnis› malte.»

Typisch für Anker seien die vielen auf dem Bild abgebildeten Menschen. «Doch im Vergleich zu Courbets modernem Historienbild ist Ankers Bild eher anekdotisch. Er beschäftigt sich auch hier mit dem alltäglichen Leben – dazu gehört auch der Tod.»

Albert Anker

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1831 wird Anker in Ins als Sohn eines Tierarztes geboren. Nach dem Theologiestudium widmet er sich der Malerei und besucht 1855 die Kunsthochschule in Paris. 1860 bis 1890 lebt der Künstler in Paris (Winter) und Ins (Sommer). Bekanntheit sind seine Kinderporträts, Stillleben, Alltagsszenen und ländliche Landschaften. 1910 stirbt Anker in Ins.

Der Tod im Alltag

1860 war die Kindersterblichkeit sehr hoch. Davon war Albert Anker nicht nur als sorgfältig beobachtender Zeitgenosse, sondern auch persönlich betroffen.

Bereits als Jugendlicher verlor er Mutter und Bruder, bald auch seine kleine Schwester. Jahre später muss er als Vater von sechs Kindern mit dem frühen Tod zweier Söhne fertig werden.

So findet das Sterben auch in seinen Bildern statt, ebenso wie er alltägliche Hausarbeiten oder das ländliche Zusammenleben dokumentierte, mitunter ein Grund für seine Vereinnahmung als «Nationalmaler».

Heimtückische Dornenhecke

In dieser von Anker verewigten Begräbnisszenerie geht es um ein kleines Inser Mädchen, das auf tragische Weise den Tod fand. Albert Rytz, Pfarrer und ein Freund Ankers, schrieb dessen Geschichte 1911 nieder. Ein Mädchen pflückt am Tag vor dem Schulexamen barfuss Veilchen.

Gemälde: Klassenzimmer mit vielen Kindern
Legende: Barfüssiges Mädchen kurz vor seinem tragischen Tod: «Das Schulexamen» (1862, Öl auf Leinwand, 103 x 175 cm) Kunstmuseum Bern, Staat Bern, Inv. Nr. G 0008

Es verletzt sich den Fuss an einer Dornenhecke, schenkt der Wunde jedoch keine Beachtung. Doch die vermeintlich harmlose Verletzung führt zu einer Blutvergiftung – das Kind stirbt wenige Tage später.

«Die Trauer um das herzige Kind war allgemein, und seine Mitschüler und Mitschülerinnen waren tief erschüttert», so Rytz' Beschreibung des tragischen Ereignisses.

Diese Erschütterung wird auch in weiteren Werken Ankers sichtbar: Zwei Bilder mit demselben Titel «Die kleine Freundin» thematisieren den Tod dieses Kindes. Einmal ist das Kind auf dem Totenbett zu sehen. Auf dem zweiten Bild zeigt Anker ein Mädchen beim Versuch, die trauernde Freundin zu trösten.

Gemälde: Kinder stehen weinend um das Totenbett eines Mädchens.
Legende: Kind auf dem Sterbebett: Eines von Ankers gleichnamigen Bilder «Die kleine Freundin» (1862, Öl auf Leinwand, 79 x 94 cm) Kunstmuseum Bern, Staat Bern, Inv. Nr. G 0009

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