Zum Inhalt springen

Header

Video
Aus alt wird (fast) neu
Aus Kultur Extras vom 30.03.2015.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 7 Sekunden.
Inhalt

100 Jahre Kurt Früh «Hinter den sieben Gleisen»: Bild für Bild restauriert

Filmklassiker der 50er- und 60er-Jahre wie die von Kurt Früh prägen unser Bild der Nachkriegszeit. Doch diese Bilder verblassen allmählich – nicht metaphorisch, sondern real. Denn Zelluloid deformiert sich im Laufe der Jahrzehnte. Da bleibt nur eines: die Filme ins digitale Zeitalter retten.

Viele fleissige Filmtechniker, ausgeklügelte Computer-Programme und noch mehr Handarbeit: die Rettung des Kino-Erbes ist teuer und aufwändig. Fachleute müssen die Film-Rollen intensiv reinigen, Bild für Bild einscannen und schliesslich am Computer bearbeiten. Das Ergebnis ist ein digital gespeicherter Film in bestmöglicher Auflösung und optimaler Bildqualität.

20'000 bis 50'000 Franken pro Film

Sendehinweis

Box aufklappen Box zuklappen

Am 10. April 2015 um 22:25 Uhr zeigt SRF 1 erstmals die in HD restaurierte Fassung des Schweizer Filmklassikers «Hinter den sieben Gleisen».

Das geht ins Geld. Deshalb wurde in der Schweiz erst ein kleiner Teil der Zelluloid-Filme in den Archiven neu digitalisiert. Mit der Digitalisierung der Kinos erhöht sich der Druck. Es gibt kaum mehr Kinos und TV-Stationen, die alte Filme überhaupt abspielen können.

Auch das Schweizer Fernsehen SRF besitzt viele Schweizer Filmklassiker. Und es treibt die Bearbeitung alter Filme voran. Heinz Schweizer, Redaktionsleiter «Einkauf Film und Serien», rechnet für einen Spielfilm mit 20'000 bis 50'000 Franken Kosten.

Sichten, reinigen, scannen

Die Rettung der Zelluloid-Filme läuft wie folgt ab: In einem spezialisierten Labor untersucht Filmtechnikerin Yvonne Marti das Negativ mit Sperberblick auf Flecken, Staub und kleine Fussel. Von Hand entfernt sie den gröbsten Schmutz. Im Ultraschallgerät reinigt sie das Zelluloid dann weiter, bis auch der winzigste Schmutz verschwunden ist.

Anschliessend liest ein moderner Scanner jedes Bild einzeln ein. Bei 90 Minuten Film-Dauer sind das etwa 130'000 Bilder, die er stundelang digitalisieren muss.

Ins gute Licht rücken

Video
Grading: den Film ins rechte Licht rücken
Aus Kultur Extras vom 30.03.2015.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 28 Sekunden.

Die Feinarbeit beginnt erst jetzt: Die Coloristin Nicole Allemann braucht einige Tage für das «Grading», die Lichtbestimmung beim digitalisierten Film. Dazu sitzt Allemann in einem kinoähnlichen dunklen Saal und schaut sich den Film genau an: Zu dunkle Stellen muss sie aufhellen, zu helle wiederum abdunkeln.

Szene um Szene ackert sie so durch. Der Film soll den Look zurückerhalten, den der Kameramann und Regisseur ursprünglich einmal bestimmt hatten.

Gute Augen, flinke Finger und viel Geduld

Das aufgefrischte Film-File gelangt nun in die Hände einer weiteren Fachfrau: Verena Ilg ist «NucodaHD-Artistin». Sie jagt den digitalisierten Film durch ein Computerprogramm, das die Bilder stabilisiert und Beschädigungen entdeckt.

Video
Software stabilisiert und korrigiert Fehler
Aus Kultur Extras vom 30.03.2015.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 51 Sekunden.

Hat das Originalbild leicht gewackelt, wird es nun ruhig. Wo auf dem Original-Film Farblücken und Kratzer sind, werden diese verbessert. Hunderte von roten Pünktchen zeigen Verena Ilg, wo Bild-Fehler waren und automatisch korrigiert wurden.

Nun folgt die grosse «Handarbeit»: Im flotten Tempo sieht sich Verena Ilg Bild für Bild an und korrigiert nach. Hier hat die Schauspielerin plötzlich einen schwarzen Punkt im Gesicht. Dort hängt dem Hauptdarsteller noch ein Faden an der Hose. Die Software erkennt bei weitem nicht alle Risse und Kratzer.

Digitalisierung von Filmen

Box aufklappen Box zuklappen

In der Schweiz kümmern sich die Cinémathèque Suisse und der Verein Memoriav um den Erhalt des Kulturgutes Film. Die SRG SSR ist Gründungsmitglied von Memoriav.

Digitalisiert und restauriert, und dann?

Ganz zum Schluss wird schliesslich die ebenfalls überarbeitete Tonspur zugefügt. Der «getunte» Film ist nun bereit für den Zuschauer.

Doch bis in alle Ewigkeit ist auch der digitale Film nicht haltbar. Digitale Festplatten können kaputtgehen, sie sind weitaus anfälliger und leben weniger lang als die alten Negative auf Filmrollen – denen attestiert man mittlerweile eine Lebensdauer von mindestens 100 Jahren. Und so gibt es tatsächlich Bestrebungen – man staune und lächle ein wenig – die Files zur Langzeitarchivierung wieder zurück auf eine Filmspule zu kopieren. Aber das ist ein anderes Kapitel …

Dieser Artikel erschien ursprünglich bei 3sat.de.

Meistgelesene Artikel