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Film & Serien Filmemacher kämpfen gegen das Klischee des faulen Griechen

Früher als Wiege der Kultur bewundert, ist Griechenland durch die Wirtschaftskrise in Verruf geraten. Der neue griechische Dokumentarfilm hat diesem Image den Kampf angesagt. Das 18. Dokumentarfestival in Thessaloniki zeigt das Land hinter Krise und Klischees.

Am 20. März ist in Thessaloniki das 18. Dokumentarfilmfestival zu Ende gegangen. Zuschauer aus aller Welt konnten auf Tuchfühlung mit einem Griechenland jenseits des journalistischen Mainstreams gehen. 72 der 186 gezeigten Beiträge kamen von griechischen Regisseuren. Dimitris Eipides, Direktor des Festivals, zieht eine positive Bilanz: «Im ersten Jahr wurde nur eine Handvoll Beiträge aus Griechenland eingereicht. Dieses Jahr waren es über 200.»

Dies liege auch daran, dass der Dokumentarfilm durch das Internet immer mehr Menschen erreiche, so Eipides. Der Begründer des Festivals war in diesem Jahr zum letzten Mal als Leiter tätig. «Mir waren immer die sozialen Probleme des Landes wichtig.» Für die Zukunft wünsche er sich noch mehr Beiträge aus diesem Themenbereich.

Blick auf einen Platz in Thessalonik. Menschen stehen vor einem Tickethäuschen an.
Legende: Zum 18. Mal fand in Thessaloniki das Dokumentarfilmfestival statt. Batsoulsas Michalis

Griechenland ganz unverzerrt

Für die griechischen Dokumentaristen ist ihre Arbeit vor allem eins: eine wirksame Waffe gegen herrschende Vorurteile. Sie wollen aufräumen mit dem Klischee des faulen Griechen. Ja, die Krise hat das Land hart getroffen. Die Dokumentationen aber graben tiefer. Sie machen die Geschichten hinter jenen Statistiken sichtbar, die in den ausländischen Medien den Ruf des Landes bestimmen. Sie stellen Zusammenhänge her und betreiben Ursachenforschung.

Menelaos Karamaghiolis ist einer der bekanntesten Dokumentarfilmregisseure des Landes. Mit grossem Applaus wurde sein diesjähriger Beitrag «Eine zweite Chance» bedacht. Dort begleitet er einen jugendlichen Straftäter aus Litauen, der durch ein engagiertes Schulprojekt in einem griechischen Jugendgefängnis den Weg aus der Kriminalität findet. Gerade dem ausländischen Zuschauer offeriere der griechische Dokumentarfilm neue Einsichten: «Man sieht hier die Realität Griechenlands, und zwar nicht durch die verzerrten Filter des Fernsehens, sondern aus der gelassenen Perspektive der Filmemacher.»

Blick nach vorne statt nach unten

Etwa 25 Prozent der Gesamtbevölkerung und 50 Prozent aller Jugendlichen in Griechenland sind arbeitslos. Perspektivlosigkeit scheint das Land fest im Griff zu haben. Doch bei weitem nicht alle stecken den Kopf in den Sand. Regisseur Grigoris Vardarinos begleitet in seinem Film «In Wood We Trust» zwei Brüder, die in der traditionellen Tischlerei ihres Vaters Designprodukte herstellen und weltweit exportieren. Tania Chatzigeorgiou porträtiert eine Frau, die allein auf einer kleinen Kykladeninsel lebt. Es sei ein hartes Leben, doch es fehle ihr an nichts, erklärt die Regisseurin. «Diese Einfachheit ist in Griechenland verloren gegangen. Dabei können wir von Natur aus mit sehr wenig zufrieden sein.»

Lydia Konsta beschäftigt sich in «Light Thickens» mit den Folgen der Besatzung durch Hitlers Wehrmacht. In den sogenannten «Opferdörfern» setzen sich Künstler mit Zeitzeugen der Massaker auseinander. Dabei kommt auch ein ehemaliger deutscher Soldat kommt zu Wort. Konsta geht es um Erkenntnis durch Begegnung. Auch sie habe im Verlauf der Recherchearbeiten viel über Deutschland gelernt: «Ich war verblüfft wie man in Deutschland mit Erinnerung umgeht, sicherstellt, dass nichts in Vergessenheit gerät. Das erfordert viel Mut.» Griechenlands Dokumentarfilmer haben ihre Augen nach vorn gerichtet. Mit neuen Akzenten wollen sie die Zukunft ihres Landes mitgestalten.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 21.03.2016, 08:20 Uhr.

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