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Frederick Wiseman – der grösste, lebende Dokumentarfilmer
Aus Kultur Extras vom 16.04.2015.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 31 Sekunden.
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Film & Serien Frederick Wiseman: «Meine Filme haben eine starke Meinung»

Sozialkritiker, Skandalmacher: Der 85-jährige Frederick Wiseman ist beides. Für Filmstudenten ist der Regisseur eine lebende Legende. Wiseman dreht, was er sieht – ohne zu kommentieren oder interviewen. In Zürich sind nun seine wichtigsten Filme zu sehen.

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Bis Ende Mai zeigt das Filmpodium in Zürich Wisemans wichtigste Produktionen.

Frederick Wiseman ist der Altmeister des Dokumentarfilms. Über 40 Dokumentationen hat der Amerikaner bereits gedreht – in Schulen, Sozialämtern, Cabarets und Museen.

Gleich sein erster Film wird ein Skandal: 1967 dreht er in einer Anstalt für geistesgestörte Verbrecher. Ein US-Gericht verbietet den Vertrieb von «Titicut Follies». Angeblich, weil das Gezeigte die Würde der Patienten verletze. Heute ist der Film ein Klassiker, der zum Lehrstoff an Filmhochschulen gehört. Wisemans Stil nennt man «Direct Cinema», weil er nur beobachtet. Bis Ende Mai zeigt das Filmpodium in Zürich Wisemans wichtigste Produktionen.

Frederick Wiseman, wie suchen Sie ihre Drehorte aus?

Porträt Wiseman
Legende: 2014 wurde Wieseman an den Filmfestspielen von Venedig für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Reuters

Die Ideen zu einem Film leite ich von Themen ab, die mich interessieren. Eine Zeit lang interessierte ich mich für das Ballett, also machte ich einen Film darüber. Mit dem Film «National Gallery» habe ich mir 2014 den Wunsch erfüllt, in einem Museum zu drehen. Das wollte ich schon vor 25 Jahren tun, doch erst jetzt hatte ich die Möglichkeit dazu.

Würden Sie das Angebot, einen Spielfilm zu drehen, annehmen?

Davon abgesehen, dass mir niemand ein solches Angebot machen würde, würde ich ablehnen. Regie zu führen bei Spielfilmen sagt mir nicht zu. Ein Dokumentarfilm ist das Gegenteil von einem Spielfilm. Ich habe keine Ahnung, wie die Struktur eines Films aussehen wird, bevor ich nicht schon ziemlich weit mit dem Schnitt bin.

Bei einem Spielfilm wird nach einer Drehbuchvorlage gefilmt und danach geschnitten. Dabei ist 95 Prozent der Struktur schon im Voraus bestimmt. Bei meinen Dokumentarfilmen hingegen weiss ich nicht, was ich am Drehort vorfinden werde. Ich weiss nicht, wie die Szenen miteinander verbunden sein werden. Das Risiko dabei ist viel grösser als bei einem Spielfilm.

Verhalten sich die Menschen anders, wenn die Kamera läuft?

Wenn ich arbeite, ist die meiste Zeit die Kamera nicht an. Dann sehe ich, wie sich die Leute benehmen. Im Film «High School» habe ich den ganzen Tag mit den Schülern verbracht. Ich habe sie gesehen, wenn die Kamera nicht lief. Sie waren nicht anders, als wenn ich drehte.

Sie kommentieren nie durch einen Text. Haben Sie nicht manchmal das Bedürfnis dazu?

Mein Kommentar ist indirekt durch die Struktur des Films ausgedrückt, nicht durch Narration oder Interviews. Aber alle meine Filme haben eine starke Meinung.

Was hat sich seit 1967 im Dokumentarfilm-Geschäft geändert?

Es ist schwieriger, an Geld zu kommen. Ausserdem muss man heute digital drehen, was ich nicht mag.

Welche Spielfilme schauen Sie in Ihrer Freizeit?

Ich habe nur wenig Freizeit, denn während den Dreharbeiten verbringe ich mehrere Monate am Drehort. Deshalb schaue ich selten Filme. Ich verbringe meine Freizeit lieber mit Spaziergängen und dem Lesen von Büchern.

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