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Ausschnitt aus «Partly Fiction»: Harry Dean Stanton singt
Aus Kultur Extras vom 24.05.2014.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 4 Sekunden.
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Film & Serien König der Nebenrollen: Harry Dean Stanton

Seinen Namen kennt kaum jemand, sein Gesicht dafür fast jeder: Harry Dean Stanton hat in über 200 Filmen gespielt. Er ist der König der kleinen Rollen. Im Dokumentarfilm «Partly Fiction» spricht er gewohnt wenig – aber singt umso beseelter.

Zum schrillen Hollywoodzirkus verhält er sich wie ein Dinkelbrötchen zur Buttercremetorte. Eine durch und durch uneitle, ehrliche Haut. Ein Schauspieler, der nicht gern redet, schon gar nicht über sich selbst oder seine Familie: «Einfach nichts zu sagen, sagt schon sehr viel. Nicht sprechen, still sein. Schweigen hat eine grosse Wirkung.»

Seine Mutter habe ihm oft irische Lieder vorgesungen, mehr will er darüber nicht sagen. Weit über 80 Jahre alt ist Stanton, als er das sagt, aber aus seinen dunklen Augen blickt ein kleiner, trauriger Junge in die Kamera.

In mehr als 200 Filmen zu sehen

In Sophie Hubers hinreissendem Film «Harry Dean Stanton: Partly Fiction» sitzt er in der Ecke seines durchgesessenen Sofas, die Beine übereinander geschlagen. Mit zerzausten Haaren und einem Gesicht, das in Falten liegt wie die Berge der Sierra Madre. Neben ihm ein Aschenbecher, ein filziges Plüschkätzchen und niemand anderes als David Lynch. «Wie würdest du dich beschreiben?», fragt der ihn. – «Als nichts.»

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Ausschnitt «Partly Fiction»: Harry Dean Stanton und David Lynch
Aus Kultur Extras vom 24.05.2014.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 49 Sekunden.

Wer Filme liebt, kommt um Harry Dean Stanton nicht herum. Seinen Namen kennen nur wenige und dennoch ist der wortkarge Anti-Star aus Kentucky eine Legende. Es sind oft gebrochene, einsame, verschrobene Figuren, die er in bisher weit mehr als 200 Filmen spielte: der Bordmechaniker Brett in Ridley Scotts «Alien», der Detektiv Johnnie Farragut in David Lynchs «Wild at Heart» oder der Trinker in Robert Altmans «Fool for Love».

Immer unvergesslich, immer im Windschatten von Leuten wie Marlon Brando, Dustin Hoffman, Nicolas Cage oder Robert de Niro. Mit einer Ausnahme: Den Auftritt seines Lebens hatte Stanton 1984 im Kultfilm «Paris, Texas» von Wim Wenders. Die Hauptrolle des stumm durch die Wüste stolpernden Travis passte zu ihm wie der staubige Mustang zum Marlboro-Man.

Mit Bob Dylan einen Dreh ruiniert

Harry Dean Stanton scheint gerne zu stolpern. Man nennt ihn deshalb auch den «Forrest Gump Hollywoods». Immer wieder gerät er scheinbar absichtslos in die erstaunlichsten Situationen.

Einmal soll er zusammen mit Bob Dylan am Strand entlang gejoggt sein und damit einen ganzen Dreh für den Film «Pat Garrett and Billy the Kid» versaut haben. Mit seinem alten Freund Jack Nicholson hat er nicht nur für den Film «Duell am Missouri» vor der Kamera gestanden, sondern auch jahrelang in einer Villa gehaust. Tom Cruise schliesslich spannte ihm seine Flamme Rebecca de Mornay aus, was ihm das Herz brach, wie er gesteht. Und Popgranate Debbie Harry widmete ihm mit «I want that Man» gar einen Song: «I want to dance with Harry Dean, Drive through Texas in a black limousine», schwärmte sie und konnte sich offenbar noch mehr als das vorstellen.

Er hat nie ernsthaft Musik gemacht ...

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Harry Dean Stanton singt «Danny Boy» im Abspann
Aus Kultur Extras vom 24.05.2014.
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Überhaupt, die Musik. Stanton mag oft den Schwerenöter rauskehren, aber sein Herz hat er an den Blues, den Tex-Mex-Country und romantischen Folk verschenkt. Dass er es nie auf die Reihe bekommen hat, mehr und wirklich ernsthaft Musik zu machen, ist so ziemlich das Einzige, was er heute bereut, wie er sagt.

... was nicht nur er bereut

Jahrelang tingelte er in einer Art verkappten Parallelkarriere mit verschiedenen Combos durchs Land. Und auch im Film von Sophie Huber hört man ihn weit öfter singen als sprechen, bis man begreift: Der grosse Schweiger ist ein hingebungsvoller, geradezu zärtlicher Musiker.

Mit brüchiger, verwitterter Stimme treibt er Songs wie «Blue Bayou» und «Hands on the Wheel» jeden Kitsch so charmant aus, dass man ihn dafür nur lieben kann. Ganz am Schluss des Films, wenn der Abspann schon läuft, gibt er mit dunklen, traurigen Augen noch das alte, irische «Danny Boy» zum Besten. So pur und tief und rau, dass er selbst ganz berührt ist – und nicht nur er.

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