Beinahe täglich treffen bei Markus Gasser Fragen zur Mundart ein oder Ermahnungen wegen Fehlern, die Moderatoren angeblich gemacht haben. Aber das Schöne an der Mundart ist ihre Freiheit von Normen, ist Gasser überzeugt. Das macht die Mundart kreativ und wandlungsfähig. Wörter haben oft eine lange und spannende Bedeutungsgeschichte hinter sich. 5 Beispiele seiner Wahl.
5 schöne Mundartwörter
«fuulänze»
Bei dem Wort wird man angenehm müde, wenn man es sich bloss auf der Zunge zergehen lässt: «fuuulänze». Schon sieht man sich auf dem Bett oder Sofa fläzen, so lange, bis man zu faulen beginnt. Genau daher kommt auch das Wort: Im Mittelalter bedeutete «vûlezen», ähnlich wie heute im Dialekt «füülele», so viel wie «nach Faulem riechen». Aus «vûlezen» wurde «fulänze», es kam die Bedeutung «müde und träge sein» dazu und schliesslich das Substantiv «Fulänzer» für «Faulpelz».
«gäbig»
«Gäbig» ist praktisch, ist umgänglich, ist handlich, ist bequem. Ein «gäbiges» Auto. Ein «gäbiger» Nachbar. Ein «gäbiger» Sessel. Was «gäbig» ist, das gibt mir etwas: Das Wort kommt letztlich vom Verb «geben». Mittelhochdeutsch «gaebec» wurde für Dinge gebraucht, die von Hand zu Hand gehen, die man gibt und gegeben erhält. Geldmünzen waren «gäbig» oder «gibig». Das Wort drückt eine gewisse Dankbarkeit der Sache oder Person gegenüber aus, die mir etwas gibt.
«glunge»
Gelingt etwas, dann kommt es so heraus wie geplant und gewünscht. Ein gelungener Tag ist ein guter Tag. Man kann aber auch sagen: Das ist «e glungene Kärli», der guckt «glunge» aus der Wäsche. Also «seltsam, blöd». Um zu verstehen, wie «glunge» zu dieser Negativbedeutung kommt, reicht ein kurzer Tanz mit Bedeutungsnuancen. Was gelingt, ist positiv, bemerkenswert, speziell. Aber «Speziell», das kann auch «irritierend» meinen. «E glungene Daag» kann deshalb auch einer sein, der mich ratlos macht.
«chroschple»
«Etwas Hartes mit krachendem Geräusch kauen», so wird die Tätigkeit im Schweizerdeutschen Wörterbuch umschrieben. Und fast jede Region hat ihr eigenes Wort dafür: «chnorbe» oder «chnarbe» in Nidwalden, «chnörbele» in Uri, «gnarfle» in Baselstadt, «knarschle» in Graubünden, «chnarschtle» in Sankt Gallen, «chroutsche» in Freiburg. Weit verbreitet sind Varianten wie «chroschpele», «chruschple» oder «chräuschpele». Alle Varianten sind lautmalerisch: Sie ahmen das Geräusch nach, das sie beschreiben. Und dieses klingt offenbar in jeder Dialektregion leicht anders.
«chrömle»
Für wenig Geld kleine Dinge kaufen, das ist «chrömle» oder «chrämle». Wörtlich bedeutet das Verb «Kram kaufen», beziehungswiese im Dialekt «Chram chaufe». Kram war zwar jede Art von käuflicher Handelsware. Aber beim «chrömle» ist der Kauf von Waren gemeint, die nicht zwingend nötig wären. Dem «chrömle» haftet deshalb etwas Verschwenderisches an. Schon 1627 ist in einem Ratsmanual der Stadt Zürich missbilligend die Rede von den «Kilbikremer und Stümpler, die das junge Volk zu schädlichem und unnützem Krämerlen und Vertun des Gelts anführen».