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Gesellschaft & Religion Anonymous: Wie mächtig sind die maskierten Hacker?

Nach den Anschlägen auf Paris hat Anonymous dem IS den Krieg erklärt. Das Hacker-Kollektiv vermeldet bereits erste Erfolge: 5500 Twitter- und Facebook-Accounts von IS-Sympathisanten sollen bereits gesperrt worden sein. Doch können die Hacker im Kampf gegen Terrorismus etwas bewirken?

«Wir werden euch jagen, wir werden euch kriegen»: Kurz nach den Anschlägen auf Paris erklärt ein maskierter Mann dem IS in einem Video den virtuellen Krieg. Nun, vier Tage später, vermelden die Hacker bereits erste Erfolge.

5500 Facebook- und Twitter-Accounts sollen aufgrund ihrer Recherchen gesperrt worden sein. Auch die Wohnadresse eines IS-Aktivisten, der in Europa Mitglieder rekrutiere, wollen die Hacker herausgefunden haben. Werden also die Hacker die von François Hollande angekündigte «Ausmerzung des Terrorismus» vornehmen?

Kein neuer Krieg

Der digitale Feldzug gegen den IS ist nicht neu. Seit dem Anschlag auf die Satirezeitschrift «Charlie Hebdo» am 7. Januar 2015 gehen die Hacker gegen den IS vor. Unter den Hashtags #opFrance #opISIS operierten die Hacker gegen die Terroristen.

Rund 150 IS-nahe Propaganda-Websites wurden laut Anonymous seitdem stillgelegt, über 100'000 Twitter-Accounts gemeldet. Dabei ist er nur ein «Krieg» von vielen, den das Hacker-Kollektiv schon führte. Scientology wurde ebenso schon «Opfer» wie unliebsame Ölfirmen.

Sammler, keine Jäger

«Die Hacker haben seit dem Angriff auf ‹Charlie Hebdo› durchaus etwas bewirkt», sagt Digital-Redaktor Guido Berger. Doch ihre Wirkung habe Grenzen. Denn die Hacker würden zwar nach IS-nahen Websites und Accounts suchen und sie den Behörden melden. «Härtere Ziele» seien jedoch dem Geheimdienst vorbehalten.

«Dass Hacker die interne Kommunikation und Pläne von dschihadistischen Gruppen aufdecken, ist nicht auszuschliessen, aber unwahrscheinlich», sagt Berger. Das bleibe die Domäne von Geheimdiensten – dafür brauche es Menschen vor Ort statt am Computer.

Lose unter einem Label

Anonymous ist keine organisierte Gruppe von Hackern, sondern ein loses Hacker-Netzwerk. Schwer einschätzbar ist dementsprechend das Potenzial der Hacker im Kampf gegen den IS: «Da Anonymous nicht eine einheitliche Gruppe ist, sondern ein Label, welches von verschiedensten Aktivisten verwendet wird, dürften auch die Fähigkeiten der Hacker stark variieren», sagt Carolina Bohren vom Nachrichtendienst des Bundes.

Der Vorwurf, Anonymous würde den Behörden sogar schaden, wurde schon nach den Anschlägen auf «Charlie Hebdo» laut. Denn Anonymous sperrt und löscht Websites mit Informationen, die für die Geheimdienste relevant sein könnten. Zudem besteht die Gefahr, dass die Dschihadisten ins Deep Web – in die schwierig zugänglichen Sphären des Netzes – abtauchen.

Die Freiheit zum Vorteil?

Die Hacker haben jedoch einen entscheidenden Vorteil: «Die Sicherheitsbehörden sind an gesetzliche Auflagen gebunden. Die Meinungsäusserungsfreiheit schützt oft auch extreme und extremistische Meinungen», so Carolina Bohren vom Nachrichtendienst.

Die Schwelle werde erst überschritten, wenn ein Gewaltbezug – etwa Propaganda für den IS – vorliege, der auch strafbar sein könnte. Die Sicherheitsbehörden können nicht alleine entscheiden, welchen Inhalt sie vom Web nehmen. Juristische Hürden, die die Hacker ignorieren.

Kein Krieg

Doch die Freiheit könnte den Hackern zum Verhängnis werden, sagt Guido Berger: «Da Anonymous eine heterogene Gruppe mit sehr unterschiedlichen politischen Zielen ist, könnte es schwierig sein, auf ein einziges Ziel zu fokussieren und dranzubleiben.»

Von einem Krieg, so Guido Berger, könne man ohnehin nicht sprechen. Die Kriegsrhetorik diene dazu, Hacker zu motivieren und zu rekrutieren. Maskierte Eigenwerbung also – mit grosser medialer Reichweite.

Sendung: SRF 3, Info, 16.11.2015, 16.50 Uhr.

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