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Gesellschaft & Religion Ayman Sikseck: «Israel ist extrem intolerant geworden.»

Israelis gegen Palästinenser: Im Krieg scheinen die Fronten klar. Dabei leben in Israel über eine Million arabische Israelis. Zum Beispiel der Schriftsteller Ayman Sikseck. Er hat schon ans Auswandern gedacht. Vorerst bleibt er aber. «Schreiben war noch nie so wichtig wie jetzt», sagt er.

Ayman Sikseck ist palästinensischer Israeli und dieser Tage von extrem widersprüchlichen Gefühlen geprägt. Auf der einen Seite die furchtbaren Nachrichten aus dem Gaza-Streifen. Gleichzeitig ist er in Israel aufgewachsen, hier zur Schule gegangen und hat in Jerusalem studiert. Und er hat Freunde in der israelischen Armee, die sich momentan in Lebensgefahr begeben.

«Ich merke, dass ich in meinem Leben noch keine so grosse Krise erlebt habe für das Zusammenleben in Israel wie jetzt», sagt Ayman Sikseck. Die grosse arabische Minderheit in Israel geht im Konflikt leicht vergessen. Über eine Million Palästinenser besitzen zwar den israelischen Pass, sind aber nicht gleichberechtigt. So wie Ayman Sickseck, der in Jaffa lebt, dem arabischen Teil Tel Avivs.

Widersprüche sind nicht geduldet

Zur Person

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Der 30-jährige Schriftsteller Ayman Sikseck ist Palästinenser mit israelischer Staatsbürgerschaft. Geboren in Jaffa, dem arabischen Teil Tel Avivs. Er studierte in Jerusalem Literaturwissenschaft und schreibt u. a. für die Tageszeitung «Haaretz». Sein erster Roman heisst «Reise nach Jerusalem» (Arche Verlag, 2012), ein zweiter ist in Entstehung.

Nicht nur er als arabischer Israeli, auch viele jüdische Freunde fühlten mit beiden Seiten mit, sagt Ayman Sikseck. «Das Problem ist aber, dass im Moment der Rassismus gegen die Araber grassiert, dass es heute politisch inkorrekt ist, zu sagen, dass man gespalten ist.» Widersprüche würden in der öffentlichen Meinung nicht geduldet: «Du musst ein Patriot sein und dich für eine Seite entscheiden.» In Wahrheit seien die meisten Menschen in Israel gespalten. Sie könnten es nur nicht mehr laut sagen.

Es habe Demos gegeben von israelischen Linken gegen den Krieg – doch diese führten zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit rechtsgerichteten Israeli. «Linke wurden eingeschüchtert, geschlagen und verjagt – nur weil sie eine Ende der Gaza-Operation forderten», so Sikseck. «Es ist sehr gefährlich geworden, ein bekennender Linker zu sein in Israel, und noch gefährlicher ein linker israelischer Araber.»

Früher sei es normal gewesen, gegen Armeeeinsätze zu demonstrieren – doch nun äusserten sich immer weniger Linke öffentlich. «Wenn du nicht 100 Prozent hinter der Armee, nicht 100 Prozent hinter dem jüdischen Staat stehst, bist du ein Verräter», sagt er. «Israel ist extrem intolerant geworden.»

Der Preis für den Dialog ist hoch

Arabisch-israelische Literatur

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  • Ayman Sikseck: «Reise nach Jerusalem» (2012)
  • Anton Shammas: «Haifa, Warten auf Godot» (Hrsg.: Mariam Chandra Gitta, 2012)
  • Sayed Kashua: «Zweite Person Singular» (2011)
  • Sayed Kashua: «Da ward es Morgen» (2006)
  • Sayed Kashua: «Tanzende Araber» (2004)
  • Anton Shammas: «Arabesken» (1989)

Wie kann der Schriftsteller in dieser Konfliktsituation leben? Zwischen der Angst um Freunde bei der Armee, der Angst um die Palästinenser und um das eigene Wohlbefinden? «Ich wünschte, ich hätte eine definitive Antwort», sagt er. Er habe in den letzten Wochen oft daran gedacht, auszuwandern. Andere arabisch-israelische Schriftsteller taten das bereits. Zum Beispiel Anton Shammas, der nach massiver Kritik nun in den USA lebt. Auch der Autor Sayed Kashua hat beschlossen, mit seiner Familie in die USA auszuwandern.

«Ich spüre trotz all dieser schrecklichen Dinge eine starke Verpflichtung zu bleiben, es gibt immer noch Leute, die am Dialog interessiert sind», sagt er. Doch der Preis dafür sei inzwischen aussergewöhnlich hoch. Das Schreiben hält Sikseck in Israel. «Es ist die einzige Möglichkeit, momentan Widerstand auszudrücken.» Gerade als arabischer Schriftsteller müsse man daran festhalten, auf Hebräisch zu schreiben, um seine Standpunkte zu vertreten, nur so werde man gehört. «Wir sind nicht viele, doch das Schreiben war für uns palästinensisch-israelische Autoren noch nie so wichtig wie jetzt.»

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