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Gesellschaft & Religion Der deutsche Theologe, der für die Juden kämpfte

Dietrich Bonhoeffer setzte sich in Nazi-Deutschland für Verfolgte und Flüchtlinge ein. Er gab nachhaltige Impulse für Hilfswerke und Sozialarbeit. Und noch heute ist sein Einfluss spürbar: Rund 200 Fachleute aus 21 Ländern reisen nach Basel, um sein Erbe weiterzuentwickeln.

Dietrich Bonhoeffer wurde im Alter von 39 Jahren im KZ Flossenbürg hingerichtet, einen Monat vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Der deutsche Theologe und Schüler von Karl Barth war aktiv im Widerstand gegen Hitler.

Aber nicht nur das macht ihn zum Vorbild für nachkommende Generationen. Seine anrührenden Briefe, Gedichte und theologisch-ethischen Schriften werden bis heute viel gelesen.

Bonhoeffer-Schüler prägen heute die Kirchenspitzen

Wie wirkmächtig Bonhoeffers Kirchenverständnis bis heute ist, zeigt allein die Gästeliste des zwölften internationalen Bonhoeffer-Kongresses in Basel: Der lutherische Alt-Bischof Wolfgang Huber ist unter ihnen. Er ist die vielleicht wichtigste Stimme des Protestantismus in Deutschland heute und hat viel über Bonhoeffer geschrieben.

Veranstaltungshinweis

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Der XII. Internationaler Bonhoeffer-Kongress findet vom 6. bis 10. Juli 2016 im Missionshaus Basel statt. Rund 200 Fachleute aus 21 Ländern folgen der Einladung von Mission 21 nach Basel, um Bonhoeffers theologische Erbe weiterzuentwickeln. Am 9. Juli verleiht zudem die Union Evangelischer Kirchen den Karl-Barth-Preis an Prof. Michael Welker.

Und dann Rowan Williams, der ehemalige Primas der anglikanischen Weltkirche. Er hat Bonhoeffers Bücher schon als Teenager verschlungen, erzählt er. Bonhoeffer würde seine Theologie durch und durch prägen.

Dazu gehöre: Verantwortung zu übernehmen, «dem Rad der Mächtigen in die Speichen zu fallen» oder Kirche immer als «Kirche für andere» zu verstehen. So sei die sozial-karitative Arbeit der Kirchen heute nicht nur in Grossbritannien wichtiger denn je.

Gleichzeitig müssten die Kirchen politisch bleiben und mit dem Finger auf Missstände zeigen, den Regierenden unbequeme Fragen stellen.

Respekt vor anderen Religionen

Hochkarätige Theologinnen und Theologen aus 21 Ländern sind ins Missionshaus nach Basel gekommen, um Bonhoeffers Impulse für eine globale Welt weiterzudenken. Als Gastgeberin fungiert das globale kirchliche Hilfswerk Mission 21. Es steht auch für die ökumenische Kooperation, wie sie Bonhoeffer schon vor 80 Jahren gefordert hat.

Audio
Wer war Dietrich Bonhoeffer?
aus Kultur kompakt vom 07.07.2016.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 40 Sekunden.

Als theologischer Jung-Star war er schon mit 26 Jahren international unterwegs. Er knüpfte Kirchennetzwerke mit England, den USA und auch der Schweiz. Das wurde später umso wichtiger, als sich Bonhoeffer in Nazi-Deutschland für Verfolgte und jüdische Flüchtlinge einsetzte.

«Nur wer für die Juden schreit, darf gregorianisch singen»

Bonhoeffers Offenheit für andere Konfessionen und Religionen, insbesondere seine Solidarität mit Juden, das war damals Avantgarde. Heute ist es richtungsweisend.

An der Tagung in Basel nehmen auffallend viele Forschende aus den USA teil. Tatsächlich sind alle Schriften Bonhoeffers ins Englische übersetzt worden und überdurchschnittlich verbreitet – obwohl vieles fragmentarisch blieb, wie etwa seine wegweisende «Ethik».

Sie konnte Bonhoeffer im Gefängnis nicht vollenden. Dafür schrieb er anrührende Briefe und Verse aus der Haft. «Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag» – mit diesem Neujahrsgedicht wollte er seine Familie trösten. Heute steht es als Lied in jedem Kirchengesangbuch.

Eine diesseitige Kirche – eine Kirche für andere

In einer Zeit, da die evangelische Kirche von den Nazis mehrheitlich korrumpiert wurde, setzte sich Bonhoeffer im Widerstand für eine «Bekennende Kirche» ein. Er verstand Kirche immer als «Kirche für andere». Das ist ein nachhaltiger Impuls für kirchliche Hilfswerke und Sozialarbeit. Diesseitig sollte Kirche sein und arbeiten. Sie sollte nicht in ein Jenseits vertrösten.

Heute an Bonhoeffer zu erinnern, ist also alles andere als passive Heiligenverehrung. Sein Appell an die christliche Verantwortung in dieser Welt ist aktueller denn je.

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