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Gesellschaft & Religion Der Papst geht auf die Frei- und Pfingstkirchen zu

Papst Franziskus will eine Einheit des Glaubens erreichen. Dafür geht er auf orthodoxe und evangelikale Kirchen zu. Für eine Einheit mit protestantischen Kirchen sei die Hürde höher, sagt Kurt Koch, der Ökumene-Minister des Vatikans.

Früher war Kurt Koch Bischof von Basel, heute ist er der höchste Schweizer im Vatikan. Sein offizieller Titel: Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Einfacher gesagt: Ökumene-Minister von Papst Franziskus. Der Kurienkardinal erzählt, der Papst pflege intensive Beziehungen zu den orientalisch-orthodoxen und zu den orthodoxen Kirchen. Der Dialog mit den Kirchen, die aus der Reformation hervorgegangen sind, liege ihm genau so am Herzen.

«Neu ist sicher, dass Papst Franziskus die Türen in den evangelikalen Bereich hinein geöffnet hat», sagt Kurt Koch. Diese sogenannten Pfingstkirchen seien heute im Christentum die zweitgrösste Realität nach der katholischen Kirche weltweit, betont er.

Der Papst hat Erfahrung mit den Pfingstbewegungen

Diese sogenannten Pfingstkirchen sind ursprünglich in Lateinamerika, heute weltweit auch in Afrika, Asien und Europa verbreitet. Diese Gemeinschaften betonen das Wirken des Heiligen Geistes. Bekehrungserlebnisse und die unmittelbare Beziehung des Einzelnen zu Gott gelten als Geschenk des Heiligen Geistes.

Sendehinweis

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Legende: srf

In einer Exklusiv-Reportage begleitet die «Sternstunde Religion» Kardinal Kurt Koch, den Schweizer Botschafter Pierre-Yves Fux und den Schweizergardisten Ivan Saric. Sie erleben im Vatikan jeden Tag, welchen Zerreissproben die katholische Kirche ausgesetzt ist.

  • «Sternstunde Religion»

    20. Dezember 2015

    10 Uhr, SRF 1

«Papst Franziskus fördert den Dialog mit den Pfingstbewegungen sehr, weil er eine unmittelbare Erfahrung mit ihnen aus Argentinien hat.» In diesen Bewegungen gebe es oft antikatholische Tendenzen. «Wenn diese Gruppierungen dem Papst persönlich begegnen und entdecken, dass er auch ein Christ ist, sogar ein guter Christ, öffnet das viele Tore», meint Kurt Koch schmunzelnd.

Notwendige Einheit der Christen

Mit den aus der Reformation vor 500 Jahren hervorgegangenen Kirchen hätte die katholische Kirche nicht so viel gemeinsam wie mit den orthodoxen Kirchen. Kurt Koch will keine Fusion der Kirchen. Ihm schwebt eine Einheit in Vielfalt vor. Und rasch fügt er hinzu: «Eine Einheit im Glauben, in den Sakramenten und in den Ämtern – eine sichtbar Einheit.»

Da seien die Hürden für die aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen höher als für die orthodoxen Kirchen. Der Kardinal folgert: «Wir müssen neu über den Glauben nachdenken.» Die Einheit der Christen sei angesichts der weltweiten Christenverfolgung dringend notwendig.

Ökumenisches Doppeljubiläum

Im Hinblick auf das Reformationsjubiläum planen der Lutherische Weltbund und die römisch-katholische Kirche Ende Oktober 2016 einen gemeinsamen Gottesdienst im schwedischen Lund.

Kurt Koch betont: «Die Lutheraner haben von Anfang an gesagt: Katholiken und Lutheraner laden gemeinsam die anderen christlichen Kirchen ein, weil wir nicht nur 500 Jahre Reformation feiern, sondern auch 50 Jahre intensiven Dialog zwischen Lutheranern und Katholiken.»

Geschichtsträchtiges Treffen

Die neue Ära des Dialogs eingeläutet hat vor 50 Jahren das Zweite Vatikanische Konzil. Bahnbrechend bei dieser Kirchenversammlung ist das Dokument «Nostra Aetate». Das Klingt nach einer geheimen Mission – übersetzt heisst es «in unserer Zeit». «Nostra Aetate» sollte anfänglich das Verhältnis der katholischen Kirche zum Judentum überdenken.

Daraus wurde ein Grundsatzpapier – einige wenige Seiten, die es in sich haben: Zum ersten Mal in ihrer Geschichte würdigt die römisch-katholische Kirche die nicht-christlichen Religionen Judentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus.

«Ein Christ kann kein Antisemit sein»

«Der Kern des Dokumentes ist die neue Einstellung zum Judentum», ist Kurt Koch überzeugt. Jesus von Nazareth, seine Mutter Maria, sein Vater Joseph, seine Jünger, sie alle waren Jüdinnen und Juden. Im Konzilsdokument «Nostra Aetate» anerkennt die katholische Kirche das Judentum als Wurzel des Christentums. Ein Statement gegen den Antisemitismus – bis heute.

Papst Franziskus betonte bei seiner ersten Begegnung mit einer jüdischen Delegation im Juni 2013: «Ein Christ kann kein Antisemit sein.» In Argentinien verbindet den Papst eine jahrelange enge Freundschaft mit dem Rabbiner Abraham Skorka.

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