Zum Inhalt springen

Header

Inhalt

Gesellschaft & Religion Die Angst als alltäglicher Begleiter

«Du musst keine Angst haben», hören Kinder oft. Das hilft wenig, denn Angst lässt sich nicht beschwichtigen. Bei Erwachsenen wird es noch schwieriger. Wer gibt schon seine Angst zu? Es ist leichter, über Kopfschmerzen zu klagen als über eine Angstattacke. Doch ab wann macht Angst krank?

Angst hat viele Gesichter. Wir haben Angst vor Verlusten, vor Krankheiten, vor dem Tod, wir bangen um das Wohl unserer Familien oder um den Arbeitsplatz. Ebenso können uns politische Krisenherde beunruhigen, wie zur Zeit die gefährliche Situation in der Ukraine. Das alles sind gute Gründe für das Gefühl von Angst.

Jeder Mensch ist hie und da genötigt sich mit seiner Angst auseinander zu setzen, sagt Paul Hoff, Chefarzt an der Psychiatrischen Universitätsklinik in Zürich. Gelingt es uns dann, die Angst zu identifizieren, also zu erkennen, was genau uns ängstigt, dann können wir mit der Angst umgehen. Ganz ohne Angst ist das Leben nicht zu haben.

Angst spielte immer eine Rolle in der Menschheitsgeschichte

Kleiner Junge rennt in dunklem Gang
Legende: Urängste vor Dunkelheit, Verlorensein, Tod. Reuters

Märchen gehören zu den Überlieferungen, aus denen wir viel lernen können. Im Zusammenhang mit der Angst ist das Grimm-Märchen: «Von einem der auszog das Fürchten zu lernen» besonders aufschlussreich. Der Held schlägt sich doppelt und dreifach, um das Gefühl von Angst und Furcht kennen zu lernen. Übelste Situationen besteht er angstfrei, nur als ihm eine Schüssel kaltes Wasser über den Kopf geschüttet wird, in der auch noch Fischlein schwimmen, verliert er die Fassung.

Zwei Dinge sind hier wichtig: Der Held zeigt mit seiner Suche nach einem Angstauslöser, dass Angst eine wichtige, menschliche Erfahrung ist. Er zeigt aber auch, dass der Schrecken uns manchmal hinterrücks überfällt, um unerwartet ganz besonders viel Angst und Schrecken zu verbreiten.

«Ist doch nicht so schlimm»

Ausschnitt aus Edvard Munchs Gemälde «Der Schrei»
Legende: Angst gehört zum Leben. Wird sie jedoch übermächtig, brauchen die Betroffenen Hilfe. Keystone

«Du musst doch keine Angst haben» – diesen Satz hören Kinder, die sich etwa im Dunkeln fürchten. Aber auch Erwachsene, die ihrer Angst vor einer bestimmten Situation Ausdruck geben, werden oftmals beschwichtigt. «Ist doch nicht so schlimm», heisst es dann.

Grundsätzlich gilt, so der Psychiater Paul Hoff: «Angst lässt sich nicht beschwichtigen.» Sie muss angehört und ernstgenommen werden. Es ist sowieso nicht leicht über seine Ängste zu sprechen. Viele Menschen verheimlichen lieber ihre Angst, weil sie sich schämen.

Obwohl die Angst für jeden Menschen ein Thema ist, wirkt es nicht selten schwach und inkompetent seine eigene Angst zu zugeben. Es ist beispielsweise viel leichter, am Arbeitsplatz über Kopfschmerzen zu klagen als über eine Angstattacke.

Normale Angst und krankhafte Angst

Wenn ein Mensch unter schlimmen Angstattacken leidet, ist es klar, dass er fachliche Hilfe braucht. Paul Hoff betont, dass diese Angst unerträglich sei für die Betroffenen. Schön reden lasse sich daran nichts. Das psychotherapeutische Gespräch zusammen mit Medikamenten hilft. Studien belegen das.

Das heisst aber nicht, dass nachher das Problem mit der Angst vom Tisch wäre. Sie bleibt ein Begleiter. Die ganz normale Angst schlägt immer wieder zu. Auch wenn sie uns kurzfristig den Boden unter den Füssen wegzieht, gilt, dass sie uns nicht niederringt. Solange wir wissen, mit wem wir es da zu tun haben.

Meistgelesene Artikel