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Gesellschaft & Religion Er trotzt dem Exodus: der kosovo-albanische Theaterautor Neziraj

Zehntausende von Kosovo-Albanern sind in den letzten Monaten illegal in EU-Staaten gereist. Auch in die Schweiz. Der kosovo-albanische Theaterautor Jeton Neziraj macht diese Emigration zum Thema – hier in der Schweiz und im Kosovo. Für ihn persönlich ist Flucht aber keine Option.

Die Theater-Truppe probt im Saal des kleinen Multimedia-Zentrums «Qendra». Im niedrigen oberen Stock sind alle Regale vollgestopft mit Büchern aus hauseigener Produktion: Es sind vorwiegend Titel von Jeton Neziraj, der auch Direktor des Zentrums ist. «Zentrum» ist für die engen Räume im Hinterhof einer trostlosen Wohnsiedlung von Pristina allerdings ein grosses Wort.

Schlechter Zustand der Kulturszene im Kosovo

Video
Exodus aus Kosovo
Aus 10 vor 10 vom 13.02.2015.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 20 Sekunden.

«Die Künstlerinnen und Künstler im Kosovo sind sich bewusst, dass sie in Europa nicht einfach so einen besseren Ort finden können», sagt der Theaterautor Jeton Neziraj, der sich auch international einen Namen gemacht hat: Wegen der harten Konkurrenz kümmere sich in Berlin oder Zürich niemand um einen zusätzlichen Schauspieler aus dem Kosovo.

Viel hat die Kulturszene im Kosovo nicht vorzuweisen: Sie ist in einem schlechten Zustand, wohl die Ärmste in ganz Europa. Weder habe es je eine Kultur-Strategie gegeben, noch sei Kultur jemals eine politische Priorität gewesen, erzählt Neziraj.

Zu kritisch für die Politik

Die Politiker im Kosovo mögen Jeton Neziraj nicht. 2011 wurde er aus dem Amt als Direktor des Nationaltheater entlassen. Er hatte sich zu kritisch mit der Unabhängigkeit des jungen Staates auseinandergesetzt. Suspekt ist er den Nationalisten auch, weil er unbekümmert zwischen Pristina und Belgrad hin und her reist für gemeinsame Theater-Produktionen. Jüngst hatte die Produktion «Romeo und Julia» in serbischer und albanischer Sprache eine vielbeachtete Uraufführung in der serbischen Hauptstadt Belgrad.

Aber Jeton Neziraj will sich nicht auf Pristina beschränken müssen. Er kooperiert und produziert international. Für Buch- und Theaterprojekte tourt er mit seiner Truppe durch ganz Europa. Er fühlt sich wohl, wenn er unter Theaterleuten ist, egal wo. «Mir geht es gut mit Freunden in Deutschland, im Kosovo oder in der Schweiz. Deshalb vergleiche ich Städte und Staaten nicht miteinander. Es sind die Menschen, die zählen», sagt Jeton Neziraj.

Die Hoffnung nicht aufgeben

Aktuell arbeitet er am Stück «Kosovo für Dummies», eine Koproduktion mit dem Berner Schlachthaus-Theater für die kommende Herbst-Saison. Thema ist die massenhafte illegale Migration seiner Landsleute, die auch ihn schockiert, obwohl er das Elend im Kosovo selber kennt: Arbeitslosigkeit, Korruption, Isolation. Für Reise-Visa müssen die Kosovaren noch immer vor den Botschaften Europas anstehen.

Der Kosovo sei in einer späten Depressions-Phase, die Hoffnung gebe er jedoch nicht auf. Bessere Zeiten würden kommen. Auf die Politiker sei jedoch kein Verlass, warnt Jeton Neziraj: «Alles hängt von uns ab. Wir müssen hier kämpfen, uns sicht- und hörbar machen, damit sich etwas verändert.»

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 22.4.2015, 16.50 Uhr.

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