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Verdi-Haus in Mailand Gesang statt Kreuzworträtsel – ein Altersheim für Opernstars

In Mailand gibt es ein Altersheim für Primadonnen und Dirigenten. Ein Schweizer Fotograf hat die Bewohner porträtiert.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die «Casa Riposo di musici» in Mailand ist ein Altersheim für Musikerinnen und Musiker – errichtet wurde es von Giuseppe Verdi.
  • Diesem Altersheim für mittellose Opernstars hat Daniel Schmid 1984 mit seinem Film «Il bacio di Tosca» ein berührendes Denkmal gesetzt.
  • Der Schweizer Fotograf Eric Bachmann hat die Sängerinnen und Sänger bereits vorher porträtiert – dazu ist nun ein Bildband erschienen.

Leger hat sie den Pelzmantel umgehängt; die linke Hand ruht gekonnt auf dem glänzenden Flügel, die rechte Hand berührt das Dekolleté.

Die fast 80-jährige, zerbrechlich wirkende Sara Scuderi beherrscht die Gestik der Opernsängerin noch immer perfekt.

Und sie singt: begleitet von zwei alten Herren – einem Sänger und einem Pianisten. Alle drei sind Bewohner der «Casa di Riposo di musici», dem ersten Altersheim für Künstlerinnen und Künstler.

Kunst ausleben – auch im Alter

Diesen Moment der Innigkeit und Konzentration hat der Schweizer Fotograf Eric Bachmann eingefangen, als er die «Casa di Riposo di musici», dieses Paradies für Primadonnen und Dirigenten, 1981 besuchte.

Bachmanns stimmungsvolle Bilder sind nun erstmals im Bildband «Casa Verdi» versammelt. Und es wird klar: Sie sind grossartige Vorwegnahme des legendären Filmes «Il bacio di Tosca» von Daniel Schmid.

Das findet auch Rosmarie Meier, die das Alterszentrum «Bürgerasyl/Pfrundhaus» in Zürich leitet. Die atmosphärisch dichten Fotografien und Porträts der Künstlerpersönlichkeiten begeistern sie: «Man hat das Gefühl, das sind absolut freie Menschen. Auch im hohen Alter können sie ihre künstlerischen Fähigkeiten zeigen. Das ist wunderbar».

Ein Altersheim wie eine Theaterbühne

Die Würde und Grandezza, die die betagten Sängerinnen und Sänger ausstrahlen, beeindruckt Rosmarie Meier. Wenn sie im prächtigen Speisesaal an schön gedeckten Tischen sitzen, wenn sie Einblick geben in ihre Zimmer mit den behäbigen Möbeln, Bücherstapeln, Bildern und alten Fotografien, wenn sie singen, palavern oder Zeitung lesen, hat man unweigerlich den Eindruck, das Altersheim sei eine einzigartige Theaterbühne.

«Ich bin überzeugt, dass die Architektur einen grossen Einfluss hat auf das Wohlbefinden alter Menschen», kommentiert Meier. Ihr fällt auch auf, wie sorgfältig und bewusst die Bewohnerinnen und Bewohner der «Casa Verdi» gekleidet sind.

Gäste statt Insassen

Der Gründer der «Casa di Riposo di musici», der Komponist Giuseppe Verdi, legte Wert darauf, nicht von Bewohnern, geschweige denn von Heiminsassen zu reden. Wer hier wohnt, ist ein Gast. 1896 hat der künstlerisch und auch finanziell erfolgreiche Verdi den Grundstein für dieses besondere Altersheim für mittellose Musiker gelegt.

Ein Mann im Altersheim zwischen zwei Klavieren.
Legende: Auch im Altersheim wird weiter musiziert. Eric Bachmann/Edition Patrick Frey

1899 wurde das Haus mit der repräsentativen neugotischen Fassade eröffnet. Anfänglich kam das Geld von Verdis Tantiemen, später dann von Spenden.

Obwohl Giuseppe Verdi vorhatte, selbst in dem von ihm gegründeten Altersheim in Mailand zu wohnen, hat er darauf verzichtet. Die ständige Dankbarkeit der im Alter verarmten Künstlerinnen und Künstler wäre ihm unangenehm gewesen.

Auch ein Haus für junge Leute

Die «Casa Verdi» existiert noch immer. Neu bietet das Haus auch Musikstudentinnen und –studenten Zimmer an. Denn oft sind sie in einer ähnlichen Situation wie betagte Kunstschaffende: Es ist für sie schwierig, eine Wohnung zu finden, da sie mit ihren Instrumenten Lärm verursachen. Zudem ist die finanzielle Lage oft prekär.

Ein Modell für die Schweiz?

Der Bildband

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Eric Bachmann, «Casa Verdi», Edition Patrick Frey, 2016.

Ein Altersheim für verarmte Kunst- und Kulturschaffende könnte auch in der Schweiz ein Bedürfnis sein, vermutet Rosmarie Meier. Die aktuelle Studie des Kulturdachverbandes «Suisse Culture» gibt ihr durchaus recht: 2016 verdiente die Hälfte der Schweizer Kulturschaffenden pro Jahr unter 40'000 Franken.

Nur 36 Prozent der Künstlerinnen und 42 Prozent der Künstler verfügen über eine Pensionskasse. Das heisst: Die finanzielle Situation und damit die soziale Sicherheit von Kulturschaffenden ist prekär. Im Pensionsalter erst recht.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 05.05.17, 09:02 Uhr

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