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Rad: Lance Armstrongs Doping-Beichte bei Oprah Winfrey («sportaktuell»)
Aus Sport-Clip vom 15.01.2013.
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Gesellschaft & Religion Gnade durch Selbstgeisselung: Beichten mit Oprah

Rad-Profi Lance Armstrong hat im Gespräch mit der Talkmasterin Oprah Winfrey sein Doping zugegeben. Solche Erlösungsübungen sind in den USA beliebt. Armstrong ist bei weitem nicht der einzige Prominente, der die öffentliche Beichte als Ausweg sieht und sich davon Erfolg verspricht.

Der verstorbene Popstar Whitney Houston hat mit Oprah Winfrey (und damit vor einem Millionenpublikum) über ihren Drogenmissbrauch gesprochen, Bill Clinton über seine Autobiografie – und nun also gestand Lance Armstrong im Fernsehen die Lüge seines Lebens.

Das Volk als Richter

In den USA sind solche öffentlichen Beichten beliebt, nicht nur bei den Prominenten, sondern auch beim Volk. Nur warum? «Dieses Bedürfnis ist in der Sentimentalität des Landes verankert», erklärt US-Korrespondentin Sacha Verna im SRF-Gespräch. Symbole und symbolische Gesten spielen eine grosse Rolle in den USA: «Die edle Vorstellung von Schuld und Sühne ist deshalb so beliebt, da sich bei solchen öffentlichen Erlösungsübungen das Volk in der Rolle des Richters wiederfindet.»

Wenn sich Bill Clinton, Lance Armstrong und all die anderen Celebrity-Sünder so wirkungsvoll in Sumpf und Schande wälzen, dann könne ja nur das Volk verzeihen, also der Durchschnittsbürger, der sonst überhaupt nie etwas zu sagen hat. «Das ist Prozac für die Volksseele», so Verna.

Lance Armstrong überquert die Ziellinie.
Legende: Lance Armstrong «gewinnt» 2004 die Tour de France. Keystone

Helden sind auch nur Menschen

Das öffentliche Promi-Beichten geht auch auf den Wunsch nach greifbaren Helden zurück. Helden dürfen nicht unverwundbar sein, «sonst wären sie Gott oder todlangweilig», so Verna. «Alle die sich da Asche aufs Haupt streuen, sind ja nichts anderes als gefallene Helden. Lichtgestalten bei denen die Glühbirne geplatzt ist.»

Hochkarätige Entschuldigungen bedienen also zweierlei: Sie bestärken einerseits das Ego von Hinz und Kunz und zeigen andererseits tröstlich, dass auch Helden nur Menschen sind.

Gnade durch Selbstgeisselung

Das amerikanische Bedürfnis nach öffentlicher Beichte und Vergebung geht noch weiter. Auch das Rechtssystem spiegelt den Glauben an Gnade durch Selbstgeisselung wieder. Reue wirkt sich mildernd auf das Strafmass aus und die Richter über Schuld und Unschuld sind die Bürger – in Form der Jury. In Amerika muss jeder Bürger, wenn der Staat ihn dazu auffordert, als Geschworener oder Geschworene Dienst für das Vaterland leisten.

Für Armstrong wird die Schuld wird zu Schulden

Lance Armstrong findet jetzt vielleicht Gnade vor dem Fernsehpublikum, doch nicht vor all denjenigen, die er der falschen Aussage beschuldigt hat. «Dem Herrn Armstrong droht jetzt eine Lawine von Klagen und zwar von allen Seiten: Von den Sponsoren und den Zeitungen die er der Verleumdung bezichtigt hat, von der Stiftung die er ins Leben gerufen hat», sagt Verna.

Denn wo die symbolischen Gesten aufhören, beginnt der rechtlich-bürokratisch-finanzielle Rattenschwanz. Für Armstrong verwandelt sich die Schuld nun in Schulden. Verna: «Er wird in den nächsten Jahren aus dem Schreiben von Schecks nicht mehr herauskommen.»

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