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Gesellschaft & Religion In der Schweiz gibt es keinen einen Humor

Geld, kulinarische Spezialitäten und Parteiprogramme mögen den Röschtigraben leicht überwinden. Mit dem gegenseitigen Verständnis von Witz und Spass tun sich Romands und Deutschschweizer allerdings schwer. Schade eigentlich – könnten doch alle viel übereinander lernen.

Der Röstigraben erinnert an einen Burggraben – man wartet, dass jemand die Zugbrücke runterkurbelt. In der Romandie ist der Röstigraben ein Vorhang. Er heisst nämlich «Rideau de rösti». Einen Vorhang kann man aufziehen. Wie im Theater. Bühne frei für andere Kulturen.

Ob Graben oder Vorhang, die Schweiz ist ein gespaltenes Land. Jeder Arm des Schweizerkreuzes zeigt in eine eigene Himmelsrichtung. Vier Landessprachen durchkreuzen die Verständigung. Und etwa auch den schweizerischen Humor?

Eine Vielfalt, die eint

Paradoxerweise eint die Vielfalt die Schweiz, sagt der in Lausanne geborene Archäologe, Satire-Autor und Co-Direktor des römischen Museums in Lausanne-Vidy, Laurent Flütsch. Daher käme auch der scherzhafte Vorschlag seiner Museumskollegen, den Röstigraben unter Schutz zu stellen. Denn ein Blick in die welsche Humorszene zeigt: Der «Rideau de rösti» und die Klischees rund um uns Deutschschweizer – inklusive militärisch krachender Dialekte und unlogischem Abstimmungsverhalten – sind fester Bestandteil des Pointen-Repertoires.

Als Hörer der Kult-Satiresendung «La soupe», die lange von der umtriebigen Journalistin Anne Baecher produziert wurde, begegnet man solchen Pointen regelmässig. Das Reizthema «Deutschschweiz» zieht sich in unzähligen Variationen durch die Programme welscher Comedians: Zum Beispiel bei Marie-Thérèse Porchet, die sich der Deutschschweiz auf ihrer Zirkus Knie-Tour 2010 mit galligem Charme vorstellte.

Oder beim Kabarettisten Carlos Henriquez, der sich beklagt, dass das Lösungswort eines Kreuzworträtsels im «Vingt minutes» 50 Franken, im «20 Minuten» 300 Franken einbringt. Oder bei der deutschschweizerischen Politikerkarikatur von Vincent Kucholl in «120 Secondes». Die Satire zielt regelmässig auf die Übermacht der Deutschschweizer.

Gibt es einen Zwerchfellgraben?

Das deutschschweizerische Kabarett kommt aus der Tradition Karl Valentins, Loriots und Emils. Die welsche Humorszene ist von Frankreich geprägt. Und Frankreich wiederum von England, von Monty Python und Spitting Image, wie Laurent Flütsch weiss.

Sendehinweis

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Das «Spasspartout: Wer andern eine Röschti gräbt,Teil 1» ist am Mittwoch, 17. Dezember 2014, um 20:03 Uhr auf Radio SRF 1 zu hören. «Wer andern eine Röschti gräbt, Teil 2» folgt am 8. April 2015.

Was den Humor betrifft, könnte folglich von einem Röschtigraben – oder vielmehr Zwerchfellgraben – gesprochen werden. Die Satire der Romandie scheint experimentierfreudiger, salopper, schriller, wenn man sich Künstler wie Karim Slama, Yann Lambiel oder Marie-Thérése Porchet vergegenwärtigt. Das ist kein Qualitätsurteil, sondern eine Aussage zur Bühnentemperatur.

Selten ein Sprung über den Graben

Geld, kulinarische Spezialitäten und Parteiprogramme mögen den Röschtigraben leicht überwinden, der Humor ist eine lokalere Sache. Welsche Comedians gastieren kaum auf Deutschschweizer Bühnen und umgekehrt. Carlos Henriquez ist einer, der es gewagt hat. Sein Programm heisst «I bi nüt vo hie». Er bleibt die Ausnahme. Es gibt folglich noch viel zu entdecken, und es sollte uns Deutschschweizer schon interessieren, die Pointen unserer Landesgenossen zu verstehen – gerade wenn sie sich über uns lustig machen. Ein Grund von der Abschaffung des Frühfranzösisch in unseren Schulen abzusehen.

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