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Gesellschaft & Religion Kulturerbe retten oder Kupfer abbauen: Was wiegt schwerer?

Die antike Stätte Mes Aynak in Afghanistan birgt riesige archäologische Schätze: meterhohe Buddhas, Münzen, Schmuck und seltene Holz-Ornamente. Darunter aber liegt ein weiterer Schatz aus Rohstoffen, der sich unmittelbar zu barer Münze machen lässt. Ein Wettlauf gegen die Zeit hat begonnen.

Was würde man nicht alles erleben, wenn man über 1000 Jahre alt würde. So alt sind die Buddha-Statuen in der antiken Siedlung Mes Aynak in Afghanistan. Viele Herrscher haben sie schon ins Land kommen sehen: die Perser, die Araber, die Mongolen, die Briten, die Taliban, auch sowjetische Truppen haben sich ins Geschehen eingemischt.

Ein frühes Handelszentrum

Zwischen dem 2. und 9. Jahrhundert war Mes Aynak eine riesige buddhistische Klostersiedlung auf über 2000 Metern Höhe. Zahlreiche Tempel, Wohn- und Gewerbebauten zeugen davon, auch mehr als 1000 Statuen, religiöse Texte und seltene Holzornamente. Die Spuren führen 5000 Jahre zurück bis in die Bronzezeit. Eine aussergewöhnliche Stätte, darüber sind sich Archäologen einig.

Der Komplex 40 Kilometer südlich von Kabul war ein wichtiger Knotenpunkt. Hier, direkt an der früheren Seidenstrasse, kreuzten sich die Handelswege zwischen Asien und dem Mittelmeer. Schon damals bauten die Mönche in Mes Aynak Kupfer ab. Denn direkt darunter liegt eines der grössten unerschlossenen Kupfervorkommen überhaupt.

So schnell wie möglich, so viel wie möglich retten

Funde in Mes Aynak

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Bilder der zahlreichen Funde sind in im Ausstellungskatalog des afghanischen Nationalmuseums zu sehen.

Der Wert des Kupfers und weiterer Rohstoffe wird auf eine Billion Dollar geschätzt. Eine immense Schatztruhe, die jetzt die chinesische Bergbaufirma MCC öffnen will. 2007 kauft sie von der afghanischen Regierung die Abbaurechte für 3,5 Milliarden Dollar. 25 Millionen Schmiergeld soll dabei geflossen sein; der afghanische Bergbauminister wird später entlassen.

Um an das Kupfer zu kommen, will MCC einen 500 Meter tiefen Krater ausheben. Das wäre das Ende der antiken Anlage wie auch der umliegenden Dörfer. Ein erster Protest geht um die Welt. Man gewährt einen Aufschub: Archäologen bekommen drei Jahre, um in einer Rettungsgrabung so viele Artefakte wie möglich zu sichern. Für eine richtige Bergung bräuchten sie Jahrzehnte.

Dasselbe Schicksal wie die Statuen von Bamiyan?

Die Rettung gestaltet sich schwierig: Die Weltbank, die das Projekt mitfinanziert, nennt die Grabung zwar die teuerste überhaupt. Aber das Geld versickert, die afghanischen Arbeiter warten immer wieder auf ihren Lohn. Auch die versprochenen Computer und Chemikalien bleiben aus.

Hinzu kommen Landminen und Morddrohungen der Taliban, die das buddhistische Erbe ausradieren wollen. Der Stätte droht ein ähnliches Schicksal wie das der 2001 von den Taliban gesprengten Buddhas in Bamiyan. Die Konsulate raten den ausländischen Archäologen, die mit Fachwissen und Geld helfen, das Land zu verlassen.

Wettlauf gegen die Zeit

Auch die Zusammenarbeit der afghanischen und internationalen Archäologen ist voller Mühen. Wie brenzlig die Situation ist, zeigt sich im Dokumentarfilm «Saving Mes Aynak», in dem Regisseur Brent Huffman einem afghanischen Archäologen über die Schulter blickt. Am Ende der Dreharbeiten 2013 sind erst zehn Prozent der Überreste ausgegraben.

Wie ist die Lage jetzt, 2015? Seit den Dreharbeiten wurden weitere Artefakte wie lebensgrosse Buddhas, Münzen, Ringe und Manuskripte gefunden. Es graben allerdings nur noch 15 afghanische Archäologen, die ausländischen sind abgereist. Immer wieder kommt es zu Plünderungen der Anlage. Und wieder sind Lohnzahlungen offen. Den Archäologen bleibt nur noch Zeit bis August, Ende 2015 soll der Kupferabbau beginnen.

Das Ende ist offen

Der neue Bergbauminister hat sich allerdings kritisch zum Vertrag mit dem chinesischen Unternehmen geäussert. Und eine internationale Kampagne will auf das drohende Schicksal des Kulturerbes aufmerksam machen. Am #savemesanyak Day am 1. Juli war der Film in Afghanistan gratis zu sehen, für Petitionen zuhanden der Regierung und der UNESCO werden Unterschriften gesammelt. Das Ende ist weiterhin offen.

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