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Gesellschaft & Religion Lauschig statt staubig: die Bibliothek von heute

Die Bibliothek ist nicht mehr, was sie einst war. Vom stillen Hort mit schweren Wälzern und langen Bücherregalen hat sie sich zu einem lichtdurchfluteten Ort gewandelt, wo Menschen verweilen und sich begegnen.

Im Zentrum steht in der Stadtbibliothek Winterthur nicht das Buch, sondern der Mensch. Bücherregale und Tische sind im Erdgeschoss der Bibliothek bequemen Loungesesseln gewichen, es gibt ein Café mit Zugang zu einem lauschigen Innenhof. Hier kann man sich auch hinsetzen und seinen selbstmitgebrachten Zmittag essen oder unter dem Baum im Innenhof Zeitung lesen.

Allein, aber nicht einsam

Vor den Fenstern, die den Blick auf zwei grosse Kirchtürme freigeben, sitzt eine Studentin vor ihrem Laptop und lernt. Die Bücher rund um sie herum nutze sie kaum, sagt sie, und doch seien sie für die Atmosphäre des Lernens zentral: «Die Bücher haben etwas Beruhigendes und etwas Anregendes zugleich. Hier drin ist es ruhig, aber nicht still. Und man ist zwar mit seinem Lernen allein, aber um einen herum passiert immer mal wieder etwas.» Zuhause lernen, das könne sie nicht, in Cafés sei es zu laut und die Konsumationspflicht lasse sie nie länger an einem Ort sitzen als für ein, zwei Stunden. In der Bibliothek sei alles da, was man brauche, um konzentriert zu bleiben.

Die Bibliothek als «dritter Ort»

Was diese Studentin beschreibt, trifft ziemlich genau den Kern von dem, was eine Bibliothek heute sein will. Und auch sein soll, denn die Bevölkerung verlangt heute mehr von einer öffentlich finanzierten Institution als das blosse Zur-Verfügung-Stellen von Lesestoff.

Die Bewohner einer Stadt wünschten sich die Bibliothek als «dritten Ort», sagt Bibliothekswissenschaftler Robert Barth. Als Ort zwischen zuhause und der Uni, der Schule, dem Arbeitsplatz.

Die Ausleihe ist nicht mehr die Hauptsache

Den sogenannten dritten Ort kennzeichnet, dass er frei und für alle zugänglich ist, gratis genutzt werden kann, und dass man die Ruhe genauso wie das Gespräch suchen und finden kann. Man kann am dritten Ort etwas konsumieren oder nicht, kann Musik hören, lesen, lernen, fragen, surfen.

Man kann hier Medien ausleihen – oder eben auch nicht. Früher war die Zahl der Ausleihen noch das Hauptkriterium, um den Erfolg einer Bibliothek zu messen. Davon ist man heute weitgehend weggekommen, zu mannigfaltig sind die Download- und sonstigen Bezugsmöglichkeiten von Filmen, Musik und Lektüre.

Innen hui und aussen – auch

Bis in die 90er-Jahre waren Bibliotheken meist schlichte Gebäude. Heute versucht man die Besucher auch mit Architektur anzulocken, die von aussen durchaus spektakulär sein kann – ähnlich wie bei Museen. Auch in der Schweiz werden Bibliotheken immer pompöser und luxuriöser ausgestattet.

Der Trend gehe hin zu einer Konzentration: Weniger, dafür grössere Bibliotheken, sagt Bibliothekswissenschaftler Robert Barth. Dafür sind Bibliotheken immer weniger einfach nur Leihgeber, sondern bieten neben vielen Verweil- und Begegnungsmöglichkeiten auch Veranstaltungen wie Lesungen oder sogar – wie in Skandinavien – einen Ticketcorner und eine Arbeitsvermittlung. Oder mit anderen Worten: Die Bibliothek ist heute eine Kulturinstitution, wie es sie im öffentlichen Raum kaum eine gibt.

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