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Politische Werbung Mode gegen Trump: Engagement oder reines Marketing?

Diesel wirbt mit «Make love not walls», Nike kämpft für «Equality». Der Werber Tobias Händler über Chancen und Gefahren politischer Werbung.

  • Nike und Diesel haben neue Kampagnen, die sehr politisch sind. Beide kritisieren die Politik Trumps – ohne ihn direkt zu erwähnen.
  • Laut Werber Tobias Händler bekommt politische Werbung in der heutigen Zeit eine besondere Beachtung.
  • Marken müssen wissen, für welche Werte sie einstehen – für politische Werte einzustehen, kann für die Marke eine Chance, aber auch schädigend sein.

SRF: Zwei grosse Marken haben neue Werbekampagnen mit starker politischer Botschaft: Diesel wirbt mit «Make love not walls», Nike mit «Equality». Donald Trump wird nicht explizit erwähnt und doch ist klar: Diese Marken nehmen Position gegen die Politik des Präsidenten ein. Eine neue Art von modischer Revolte?

Nein, sie ist nicht neu. Aber der Blick auf diese Form von Revolte ist in der heutigen Zeit ein ganz besonderer, da Trump die ganze Welt beschäftigt.

Marken stehen für bestimmte Werte und ihnen kommt eine gesellschaftliche Funktion zu. Wenn sie feststellen, dass es eine Strömung gibt, die deutlich gegen diese Werte schiesst, können sie die Gelegenheit nutzen, um zurückzuschiessen, um sich stärker zu positionieren. Das war schon immer so und wird immer so sein.

Eine Werbung von Diesel, die einen farbigen Panzer zeigt.
Legende: Farbenfroh – und mit froher Botschaft: Diesel will keine Grenzen. Ein Wink mit der Mauer. Diesel / «Make love not walls»-Kampagne.

Im Moment herrscht also das perfekte Klima, um politisch Stellung zu beziehen. Sprich: um Produkte an den Mann zu bringen?

Eine Marke muss sich die Frage stellen, inwieweit sie sich auf politisches Feld begeben möchte. Wenn eine Marke sich in die Politik einmischt, kann der Schuss durchaus nach hinten losgehen. Wegen ihrer gesellschaftlichen Funktion stehen Marken aber vermehrt unter Druck, gerade die grossen Unternehmen. Es wird erwartet, dass sie an bestimmten Stellen klar Stellung beziehen.

Die Schuhmarke New Balance verärgerte nicht Trump-Befürworter, sondern seine Gegner. Sie lobte Trump. Darauf verbrannten Leute Sneakers und machten Videos davon.

Mode und Politik

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New Balance ist inzwischen ein Stück weit zurückgerudert. New Balance teilte mit, dass Trump die internationalen Handelsbeziehungen zu ihren Gunsten in eine richtige Richtung lenken könnte. Nicht, dass sie Trump als Person gut fänden.

Das Phänomen New Balance zeigt, welche Gefahr besteht, wenn eine Botschaft nicht ganz klar kommuniziert wird, wenn Interpretationsspielraum bleibt. Und im Fall von New Balance ein Schaden entsteht.

Es kann also gefährlich beziehungsweise schädlich für den Marktwert sein, wenn eine Marke politisch wird?

Es kann gefährlich sein, es ist gleichzeitig aber auch eine Chance. Dadurch bekommt eine Marke Aufmerksamkeit und kann ihre Position verbessern. Die Frage ist aber immer: Wie glaubwürdig ist es, dass eine Marke sich politisch positioniert? Und wie standhaft kann sie diese Positionen vertreten?

In den 1990er-Jahren schockte Benetton mit einer sehr politischen, sehr radikalen Werbekampagne: Mit einem blutverschmierten T-Shirt aus dem Kosovokrieg, einer ölverschmierten Ente und etwa mit dem Bild eines Aidskranken. Benetton brach Tabus und hatte eine klare Botschaft: Wir wollen die Welt besser machen. War das nur Werbung oder politische Engagement?

Ein blutverschmiertes T-Shirt und eine Camouflage-Hose. Eine Werbung für Benetton.
Legende: Ein Schockseller? Benetton brach mit seiner Kampagne in den 90er-Jahren Tabus. (im Bild: Ein Shirt aus dem Kosovokrieg) Benetton / Oliveiro Toscani

Beides. Werbeunternehmen haben eine gesellschaftliche Funktion, sie müssen deshalb auch eine gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Bei Benetton wurde ein regelrechter Diskurs ausgelöst: über Fragen, die die Gesellschaft beschäftigen sollten – wie Krieg oder sexuelle Orientierung.

Trotzdem darf man sich nichts vormachen: Tabubruch ist immer auch eine Strategie um Aufmerksamkeit.

Benettons Kampagne war radikal. Nike und Diesel beispielsweise sind konventioneller, passen sich dem heutigen Zeitgeist an. Da drängt sich die Frage auf: Ist das nun politisch – oder einfach nur Opportunismus?

Grundsätzlich gilt für Marken: Wer ins Gespräch kommen will, der muss auch eine eigene Meinung haben. Diese Regel ist in der heutigen Zeit, in der Botschaften schnell verbreitet und kommentiert werden können, ganz wichtig.

Zur Person

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Tobias Händler ist seit 2016 CEO der Werbeagentur Scholz & Friends Schweiz. Er studierte Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation in Berlin. Nach dem Abschluss begann er seine Karriere bei Scholz & Friends.

Das ist kein reiner Opportunismus. Diese Marken geben ihre Meinung kund, was sie von den aktuellen Entwicklungen halten. Aber natürlich auch eine Möglichkeit, bei Fans noch mehr Zuspruch zu bekommen.

Besteht heutzutage gar ein Druck, dass Marken politischen Botschaften tragen sollen? Dass man sich positionieren muss, um Kunden anzuziehen.

Eine Marke muss sich nicht politisch positionieren. Jeder Marke muss aber wissen, für welche Werte sie einstehen möchte. Das muss nicht auf einer politischen Ebene stattfinden. Es ist aber durchaus eine Möglichkeit, um ins Gespräch zu kommen.

Ein Beispiel aus unserer Agentur: Für Fisherman’s Friend haben wir ein starkes Zeichen für Toleranz setzen dürfen. Zur Zeiten des Fremdenhasses haben wir auf sozialen Medien eine Abwandlung des Claims verbreitet: Sind wir zu bunt, bist du zu braun. Diese politische Statement hat sich schnell in den Medien verbreitet, Fisherman's Friend hat viel Zuspruch erhalten.

Stellen Sie als Werber eine Tendenz fest, dass per se unpolitische Marken politischer werden möchten, um mehr zu verkaufen?

Ich kann keine grundsätzliche Tendenz feststellen. Wenn eine Marke politisch wird, kann sie innerhalb von kürzester Zeit sehr viel Beachtung bekommen. Aber einen Trend, dass Politik strategisch vermehrt als Werkzeug benutzt wird, um für sich einen Vorteil herauszuschlagen, sehe ich nicht.

Das Gespräch führte Danja Nüesch.

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