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Operationssaal, in dem zwei Ärzte eine Operation durchführen.
Legende: Wie sehr muss leiden, wer schön sein will? Schönheitsoperationen boomen. Keystone
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Gesellschaft & Religion «Schönheitsoperationen an Minderjährigen gehen gar nicht»

Grössere Brüste, straffere Beine, weniger Falten. Ästhetische Operationen boomen. Schön für den Einzelnen. Doch was bedeutet das für die Gesellschaft? Soll alles, was machbar ist, auch erlaubt sein? Nein, findet die Ethikerin Susanne Brauer. .

Sind Schönheitsoperationen, also ästhetische Eingriffe bei gesunden Menschen, etwas Normales geworden?

Susanne Brauer: Wenn man die ganzen Botox-Behandlungen mitrechnet, dann ist das auf jeden Fall etwas, was sehr weit verbreitet ist. Wenn «normal» wertend gemeint ist, also die Frage dahinter steckt, ob man das tun kann ohne schräg angeschaut zu werden, dann kommt es drauf an, in welchen Kreisen man sich bewegt.

Was halten Sie von Schönheitsoperationen?

Die grosse Frage, die sich mir stellt, ist eine berufsethische: Dürfen Ärztinnen und Ärzte das tun? Denn das entspricht ja nicht dem ärztlichen Ethos von Heilen, Lindern oder Vorbeugen. Sie setzen Fähigkeiten ein, die nur sie haben und sie brauchen Stoffe, zu denen nur sie Zugang haben – beispielsweise Botox – für Behandlungen ohne medizinischen Grund.

Was ist daran problematisch?

Dass diese Eingriffe immer mit Risiken verbunden sind. Die Schweizer Gesetzgebung ist hier sehr liberal und überlässt es jedem Einzelnen, Nutzen und Risiken abzuwägen. Doch aus ärztlicher Perspektive muss man fragen, ob das grundsätzlich vertretbar ist. Eine ähnliche Diskussion haben wir übrigens auch bei der Suizidbeihilfe.

Während Schönheit früher einfach Schicksal war, ist sie heute zum Designprojekt geworden. Ist das gut oder schlecht?

Ich denke, es gab schon immer das Bedürfnis, seinen Körper zu gestalten, sei es durch Tätowierungen, Piercings oder eng geschnürte Korsetts. Zu verschiedenen Zeiten standen einfach unterschiedliche Mittel zur Verfügung. Immer war aber die Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe zentral.

Das heisst, es gab schon immer einen gesellschaftlichen Druck, dem gängigen Schönheitsideal zu entsprechen?

Ja. Und da ist die spannende Frage: Wer setzt eigentlich jeweils die Standards punkto Schönheit? Im Moment boomen ästhetische Eingriffe im Genitalbereich. Wer aber definiert, wann beispielsweise Schamlippen schön sind? Und was steckt hinter dieser Definition?

Warum soll man dem Alter mittels Schönheits-OP nicht ein Schnippchen schlagen?

Man muss die persönliche von der sozialen Ebene unterscheiden. Der Einzelfall muss immer als Einzelfall betrachtet werden und da können verjüngende Eingriffe durchaus legitim sein. Auf der gesellschaftlichen Ebene hingegen ist zu fragen: Wollen wir diese Möglichkeiten überhaupt zulassen, wenn wir damit gewissen Standards Vorschub leisten? Will heissen: Klar muss jeder selber entscheiden, ob er sich Botox spritzen lassen will. Doch wenn irgendwann alle mit Botox im Gesicht herumlaufen und fit aussehen, obwohl sie 60 Stunden in der Woche arbeiten, dann kann man das sicher in Frage stellen. Denn welche Werte transportieren wir damit? Man will Dynamik, Jugendlichkeit und Leistungsfähigkeit ausstrahlen und setzt damit andere unter Druck.

Gibt es aus ethischer Sicht Grenzen?

Die gibt es beispielsweise, wenn die Risiko-Nutzen-Abwägung nicht stimmt. Wenn also die Risiken und Belastungen, die man einer Person mit einer Schönheitsoperation zumutet, zu gross sind. Eine weitere Grenze wäre für mich das Alter. Schönheits-OPs an Minderjährigen gehen gar nicht. Und die Rahmenbedingungen einer OP sind zentral. Es muss vorgängig eine seriöse Information sowie körperliche und psychische Abklärung stattfinden.

Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, sind Schönheitsoperationen ethisch unbedenklich?

Ja, wenn Risiken individuell abgeschätzt werden und nicht zu gross sind. ­Dann liegt das in der Freiheit jedes Einzelnen. Doch wie gesagt: Es gibt noch die soziale Dimension. Denn mit dem Aussehen gehen Wertvorstellungen einher. Und die können sehr wohl problematisch sein.

Zur Person

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Susanne Brauer ist Philosophin und Studienleiterin an der Paulus-Akademie Zürich für Bioethik, Medizin und Life Sciences.

Was ist schön?

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Schönheit ist uns wichtig. Frauen lassen sich ihr Fett an «Problemzonen» absaugen, Männer färben sich die Haare und rasieren den Intimbereich. Ist das wirklich immer schön? Wir werfen einen Blick auf die «Kampfzone Bikini» und andere Aspekte des Schönseins.

Ausstellungshinweis

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Das Schweizerische Nationalmuseum in Schwyz beschäftigt sich in einer Ausstellung mit der Frage: Bin ich schön? Ein Parcours mit 19 Stationen über die vielfältigen Aspekte rund um die Macht von Schönheit. Noch bis zum 7.September.

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