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Die neueste PISA-Studie «So geht das nicht. Der Turm von PISA steht sehr schief»

Die Ergebnisse der neuesten PISA-Studie sind raus. Der Präsident des Dachverbandes Schweizerischer Lehrerinnen und Lehrer kann damit nichts anfangen.

SRF: Im Jahr 2000 gab es den PISA-Schock und die darauffolgende Schocktherapie. Nun sind die neuen Resultate da. Wie denken Sie darüber?

Beat Zemp: Es ist sehr unbefriedigend. Wir wissen nicht wirklich, was diese Resultate bedeuten. Das Niveau ist in den meisten Ländern gesunken und man kann nur ahnen, woran das liegt.

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«PISA in der Kritik»: Kommentare dazu vom Mehrsprachigkeitsspezialisten und Heilpädagogen Winfried Kronig und der Bildungssystemforscherin Ursula Renold
aus Kontext vom 20.12.2016.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 35 Sekunden.

Wohl nicht so sehr an den Jugendlichen, nehme ich an?

Es gibt mehrere Gründe, aber der Hauptgrund sind unerklärliche Skalierungseffekte und das veränderte Prüfungsverfahren.

Erstmals in der PISA-Geschichte wurde per Computer getestet. Bis anhin prüfte man auf Papier mit Bleistift.

Die Schülerinnen und Schüler konnten korrigieren und zu vorhergehenden Fragen später wieder zurückkommen. Im Prüfungsmodus der aktuellen Studie war das nicht möglich. Da ging es Klick für Klick vorwärts und manche Schüler haben sich in diesem anonymisierten Verfahren wohl ziemlich schnell durchgeklickt.

Die Schüler haben sich in den anonymisierten Verfahren wohl schnell durchgeklickt.

Kann ein verändertes Prüfungsverfahren eine so grosse Auswirkung haben?

Sicher spielen auch Skalierungseffekte eine Rolle. Aber die OECD stellt auf stur.

Zur Person

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Beat Zemp ist seit 1990 Präsident des Dachverbandes Schweizerischer Lehrerinnen und Lehrer. Er vertritt deren Anliegen in verschiedenen Gremien der Schweizer Erziehungsdirektorenkonferenz und des Bundes. Beat Zemp hat Mathematik, Geografie und Pädagogik studiert.

Wie genau?

Wir haben im Jahre 2012 einen Test verlangt, um die Schwankungen durch ein neues Prüfungsverfahren zu messen. Die OECD ist nicht darauf eingestiegen und nun haben wir Resultate, mit denen wir nichts anfangen können.

Das ist ärgerlich, die Vergleichsstudie ist aufwändig und teuer. Mir scheint, sie hat stark an Bedeutung eingebüsst – verglichen mit dem Start im Jahr 2000?

Ja sicher. Es ist schwer verständlich, dass die OECD sich nicht auf die Kritik von namhaften Wissenschaftlerinnen und Denkern einlässt. Die Kritik wird laut und lauter. Die OECD müsste ein Interesse an dieser Kritik haben, statt einfach am Dogma festzuhalten: «Learning from the Best». Das ist ja unter diesen Bedingungen gar nicht möglich.

Das klingt nach Machtarroganz der OECD …

Wenn es nur noch darum geht, folgenlose Ranglisten zu publizieren, ohne Hintergründe aufzeigen zu können, bin ich für den Abbruch der Übung. Das Geld können wir gescheiter in unser eigenes Leistungs-Monitoring investieren.

Beim Fiebermesser des PISA-Doktors ist noch nicht einmal die Skalierung klar.

Ist die neueste PISA-Studie vergleichbar mit einem Arzt, der etwas diagnostiziert, aber keine Therapievorschläge hat?

Das ist ein schönes Bild. Aber es beunruhigt auch. Beim Fiebermesser des PISA-Doktors ist noch nicht einmal die Skalierung klar. Wird die Temperatur in Celsius oder Fahrenheit gemessen? So geht das einfach nicht. Ich finde, der Turm von Pisa steht sehr schief.

Und nun? Viel Lärm um nichts? Viel Geld für nichts?

Ich würde sagen, es gibt viele Fragezeichen und wenig Ausrufezeichen. Wir müssen das Heft wieder selber in die Hand nehmen und das werden wir auch tun. Mit einem nationalen Bildungsmonitoring, wie es auch die Erziehungsdirektorenkonferenz vorantreibt. Dann wird es wichtig, den jeweiligen Schulen zu sagen, wie sie sich verbessern können.

Das Gespräch führte Cornelia Kazis.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 21.12.2016, 9:03 Uhr.

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