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Nachbarschaftsnetzwerke Unsere Wirtschaft soll lokal, weltoffen und ethisch sein

Immer weniger Menschen verstehen die globale Wirtschaft. Der Ethiker Thomas Gröbly plädiert für eine lokale Ökonomie. Die Zukunft läge vor der eigenen Tür.

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Ethiker Thomas Gröbly fragt sich, wie Armut bekämpft und Güter gerechter verteilt werden können. Einen Teil der Lösung sieht er in Nachbarschaftsnetzwerken.
  • Wenn Menschen im nahen Umfeld wohnen, arbeiten und konsumieren, hebt das die Lebensqualität und schont Ressourcen.
  • Thomas Gröbly betont jedoch: «Eine lokale Wirtschaft bedeute keineswegs eine nationalistische Abschottung.» Vielmehr sollten internationale Solidarität sowie Handelsbeziehungen weiter bestehen.

«Die Elite ist dem Volk Antworten schuldig»

Am Weltwirtschaftsforum in Davos diskutieren Wirtschaftsvertreter, Politikerinnen und Politiker über «verantwortungsvolle Führung». Das begrüsst der Ethiker Thomas Gröbly. Denn er ist überzeugt: «Die Elite ist dem Volk Antworten schuldig.»

Und weil das Wort Antwort im Wort Verantwortung stecke, erhoffe er sich, Antworten auf drängende Fragen zu bekommen. Wie kann die Klimaerwärmung aufgehalten werden? Wie kann Armut bekämpft und können Güter gerechter verteilt werden?

Nachbarschaftsnetzwerke aufbauen

Blauäugig ist Thomas Gröbly keineswegs. Er glaubt nicht ernsthaft daran, dass am WEF die grossen Probleme unserer Welt gelöst werden können. Vielmehr setzt er dort an, wo er sich selbst engagieren kann. Und das ist hier, vor seiner eigenen Haustür.

Der gelernte Landwirt und studierte Theologe verfolgt seit Jahren die Idee der regionalen Wirtschaft. Neben seinem Lehrauftrag als Ethikdozent an Fachhochschulen ist er Mitinhaber eines Büros für lokale Ökonomie und engagiert sich bei «Neustart Schweiz». Die Idee des Vereins ist es, ein starkes Nachbarschaftsnetzwerk aufzubauen.

Jedes Quartier mit eigenem Bauernhof

«Neustart Schweiz» hat eine Vision. In Städten sollen sich die Menschen in Einheiten von rund 500 Bewohnerinnen und Bewohnern organisieren. Wohnen, arbeiten, konsumieren – das alles soll sich im nahen Umfeld abspielen.

Zu jedem Kleinquartier soll ein Bauernhof im näheren Umland gehören. Dort würde dann der Grossteil der Nahrungsmittel produziert. Relokalisierung ist hier das Stichwort.

Wer sich vermehrt im Quartier bewegt und lokale Produkte kauft, vermeidet unnötiges Herumreisen, steht selbst weniger im Stau und schont damit auch Ressourcen.

Kein Votum gegen internationalen Handel

Thomas Gröbly betont aber: «Eine lokale Wirtschaft bedeute keineswegs eine nationalistische Abschottung.» Vielmehr sollten internationale Solidarität sowie Handelsbeziehungen weiter bestehen. Doch eben auf selbstbestimmter und gerechterer Basis.

Der Umbruch kommt von unten

Der Slogan «global denken, lokal handeln» ist nicht neu. Bereits in der Agenda 21, im entwicklungs- und umweltpolitischen Aktionsprogramm der Vereinten Nationen, wurde 1992 eine nachhaltige Entwicklung beschlossen.

Unter anderem sollten sich die Kommunen für eine lokale Wirtschaft stark machen. Der grosse Erfolg blieb bisher aus. Dafür haben sich verschiedene regionale Organisationen gebildet, die neue Wirtschaftsstrukturen diskutieren und auch ausprobieren.

Vernetztes Denken ist gefragt

Thomas Gröbly engagiert sich in verschiedenen Gruppen. Ob im Bereich Landwirtschaft, in entwicklungspolitischen Organisationen oder bei Gruppierungen, die sich mit Nahrungsmittelverschwendung beschäftigen, der Ethiker und Theologe mischt in etlichen Gruppierungen mit.

Es zeige seine Neugier und sein breites Interesse, begründet er sein vielfältiges Engagement. Es zeige aber auch, «dass wir systemisch denken müssen. Es reicht nicht, nur ein Thema herauszugreifen. Denn all diese Anliegen sind vernetzt und stärken sich gegenseitig», erklärt der Ethiker.

Ethik ist nicht angeboren

Was wir genau unter ethischem Verhalten und somit auch unter Verantwortung verstehen, müsse immer wieder neu ausgehandelt werden, betont Thomas Gröbly.

«Ethik ist Arbeit.» Unsere Werte seien weder selbstverständlich noch naturgegeben. «Wir müssen sie immer wieder hinterfragen. Und falls wir sie für gut befinden, müssen wir sie auch verteidigen.»

Sendung: SRF 2 Kultur, Perspektiven, 15.1.2017, 15:00 Uhr.

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