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Die Schriststeller Adolf Muschg und Max Frisch auf einer Aufnahme von 1975 an einem Tisch mit Mikrofonen.
Legende: Literatur macht Politik: Adolf Muschg und Max Frisch an einer Wahlveranstaltung im Volkshaus Zürich (1975). Keystone
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Gesellschaft & Religion Wenn Kultur politisch wird: 5 Beispiele, die die Schweiz bewegten

Das gab's schon lange nicht mehr: Ein Schriftsteller bewegt mit einer scharfen Polemik tagelang die Schweiz. Lukas Bärfuss' Warnruf «Die Schweiz ist des Wahnsinns» hat einen Nerv getroffen. Damit reiht er sich ein in eine Tradition von Schweizer Künstlern, die politisch provozieren.

Mit einem Artikel in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» hat der Schriftsteller Lukas Bärfuss vor den nationalen Wahlen gehörig Dampf abgelassen. Seine Abrechnung löste zum Teil heftige Reaktionen bei Medien und Bürgern aus.

«Ist Bärfuss der neue Frisch?» wurde oft gefragt. Und tatsächlich gab es eine derart pointierte Äusserung eines Kulturschaffenden schon lange nicht mehr. Wenn man weiter zurückschaut, findet man aber durchaus Beispiele von Kulturschaffenden, die die Schweiz bewegten.

  • 1. Max Frisch

    Ob die Abschaffung der Armee, sein Engagement für Flüchtlinge oder gegen die 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft: Max Frisch war kurz vor seinem Tod 1991 nochmals richtig radikal: In einem offenen Brief in der «Wochenzeitung» hatte er die Schweiz als «verluderten Staat» bezeichnet. Bis zuletzt bekannte sich der Autor zu einem humanen Sozialismus. Sein Text «Schweiz ohne Armee? Ein Palaver» kam unter dem Titel «Jonas und sein Veteran» am Schauspielhaus Zürich im Oktober 1989 auf die Bühne – kurz vor der Abstimmung über die Abschaffung der Armee.
    Video
    Max Frisch und sein politisches Engagement (Brennpunkt, 2.4.1996)
    Aus Kultur Extras vom 20.10.2015.
    abspielen. Laufzeit 1 Minute 16 Sekunden.

  • 2. Friedrich Dürrenmatt

    Friedrich Dürrenmatt hatte am 22. November 1990 die Schweiz als «Gefängnis» bezeichnet. Der Anlass: Václav Havel, damaliger Staatspräsident der Tschechoslowakei, erhielt in der Schweiz den Gottlieb-Duttweiler-Preis für seine politische Arbeit. Die Laudatio hielt Friedrich Dürrenmatt kurz vor seinem Tod im Dezember 1990. Die Rede «Die Schweiz – ein Gefängnis» bewegte die Schweiz. In Buchform erschien sie unter dem Titel «Kants Hoffnung».

  • 3. Adolf Muschg

    1975 war der Schrifststeller in Zürich SP-Kandidat für den Ständerat – er führte einen ebenso engagierten wie erfolglosen Wahlkampf. Trotzdem hat er nicht resigniert, der Intimfeind von Christoph Blocher stürzte sich immer wieder in gesellschaftliche und zeitkritische Debatten. 1997 geisselte er in seiner Streitschrift «Wenn Auschwitz in der Schweiz liegt» die Unschuldspose der offiziellen Schweiz. In der «Sternstunde Philosphie» sagte er 1995: «Ich werde nie müde zu sagen, dass die Schweiz der letzten 50, 60 Jahre eine untypische Schweiz ist: Also eine Schweiz, die sich auf sich selbst zurückzieht, die zufrieden ist mit ihrer Neutralitätspolitik. Das ist nicht die Schweiz der letzten Jahrhunderte.»
    Video
    Adolf Muschg über Politik (Sternstunde Philosophie, 19.2.1995)
    Aus Kultur Extras vom 20.10.2015.
    abspielen. Laufzeit 6 Minuten.
    • «Rückzug der Intellektuellen aus der Politik? Adolf Muschg im Kreuzverhör»: Das ganze Gespräch können Sie hier nachschauen (Sternstunde Philosphie, 19.2.1995)

  • 4. Paul Nizon

    1970 erschien Nizons Streitschrift zur Kunst- und Kulturszene in der Schweiz: «Diskurs in der Enge» – sie erlangte Berühmtheit. Das Büchlein ist eine Auseinandersetzung mit einer sich nach aussen abschottenden Schweiz. «Diskurs in der Enge» ist inzwischen zum geflügelten Wort geworden. Nizon, der ehemalige Kunstkritiker der «Neuen Zürcher Zeitung», ärgerte sich derart über die geistige Enge hierzulande, dass er Ende der 1970er-Jahre für immer nach Paris zog, wo er heute noch lebt. 2014 erhielt Nizon den Grand Prix Literatur.
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    Diskurs über die Enge
    Aus Kulturplatz vom 22.06.2011.
    abspielen. Laufzeit 7 Minuten 37 Sekunden.

  • 5. Ben Vautier

    «La Suisse n'existe pas» – «Die Schweiz existiert nicht»: 1992 erregt das Werk des Schweizer Künstlers Ben Vautier im offiziellen Schweizer Pavillon an der Weltausstellung in Sevilla grosse Aufmerksamkeit. Der prägende Spruch sorgte für eine kontroverse Debatte um das Bild der Schweiz im Ausland. Politiker nahmen Vautier beim Wort und waren empört. Dabei hätten sie wissen können, dass Vautier Zeit seines Lebens nichts anderes machte, als das Leben und die Kunst zwar beim Wort, aber nicht allzu wörtlich zu nehmen. Witz und Ironie sind Vautiers Markenzeichen, seit Beginn seiner Karriere Anfang der 1960er-Jahre.
    Video
    Ben Vautier: «La Suisse n'existe pas»
    Aus Kultur Extras vom 20.10.2015.
    abspielen. Laufzeit 5 Minuten 12 Sekunden.

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