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Gesellschaft & Religion Wunschkinder machen

Vater, Mutter, Kind, Spender, Leihmutter: Das Bild der Kleinfamilie hat sich grundlegend geändert. Bleibt der Kinderwunsch unerfüllt, entscheiden sich immer mehr Menschen für eine künstliche Befruchtung. Was bedeutet das für die Ordnung der Familie?

Eine Embryologin sucht in hoher Geschwindigkeit ein besonders geeignetes Spermium aus, saugt es mit der Pipette ein und bringt es zur Eizelle in die Petrischale. Nach der Befruchtung wird die bereits vielfach geteilte Zelle in die Gebärmutter der Frau transferiert. Der Autor Andreas Bernard ist für die Recherche zu seinem Buch «Kinder machen» dabei. Die Embryologin gesteht ihm eine Sorge: Kann diese Art von Entstehung spurlos an einem Lebewesen vorbeigehen? Studien zeigen keine Abweichungen von konventionell gezeugten Gleichaltrigen. Dem Leben an sich scheint es egal zu sein, ob es erzwungen oder auf dem sogenannt natürlichen Weg entsteht.

Alltag der Reproduktionsmedizin

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Über das Sachbuch «Kinder machen»
aus Kultur kompakt vom 30.04.2014.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 10 Sekunden.

Ein halbes Jahrhundert nach der Gründung der ersten Samenbanken in den USA, und 35 Jahre nach den ersten in vitro gezeugten Babies, gehören diese Techniken zum Alltag der Reproduktionsmedizin. In den USA wurde die Leihmutterschaft als dritte Möglichkeit in die Reproduktionstechnologie eingeführt. Eine Variante, die übrigens in der Schweiz und vielen anderen europäischen Ländern verboten ist. In den USA sah man, dass es Probleme mit der Leihmutterschaft gibt. Immerhin ist die Leihmutter zur Hälfte mit dem Kind verwandt. Das bringt emotionale Verwicklungen mit sich. Nicht alle Leihmütter waren gewillt, ihr Kind nach der Geburt herzugeben. So suchte man nach einer Lösung.

Die Variante der Tragemutter

Buchhinweis

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Andreas Bernard: «Kinder machen: Neue Reproduktionstechnologien und die Ordnung der Familie. Samenspender Künstliche Befruchtung Leihmütter», S. Fischer, 2014.

Man fand ein Verfahren, das die biologische Verbindung mit dem auszutragenden Kind aufhebt. Das Ei der zukünftigen Mutter muss mit dem Samen des zukünftigen Vaters in den Uterus der Leihmutter, beziehungsweise «nur» noch Tragemutter verpflanzt werden. So begann die Ära der Eizellenspenderin. Ihr entnimmt man hormonell stimulierte Eizellen und setzt diese Patientinnen ohne funktionstüchtige Ovarien zusammen mit dem Samen ihrer Ehemänner ein. Nun können sich Frauen ihren Kinderwunsch beispielsweise auch noch nach dem Klimakterium erfüllen. Neben alten Vätern kann es nun auch alte Mütter geben. Ob das im Dienst der Emanzipation zu sehen ist, darüber schweigt der Autor.

Reproduktionsmedizin im Dienst der Kleinfamilie

Andreas Bernard wendet sich gegen den Schriftsteller Aldous Huxley, der in seinem Buch «Schöne neue Welt» noch vor den Zeiten der Reproduktionsmedizin fand, dass dort, wo Kinder in Gläsern und unabhängig vom Liebesakt gezeugt würden, sich keine freie Gesellschaft entwickeln könnte. Der Autor teilt diese Auffassung nicht. Schliesslich treibe in unserer Zeit keine despotische Regierung die standardisierte Reproduktion voran, sondern Paare wollen freiwillig ihrer Unfruchtbarkeit etwas entgegenstellen. Der Kulturwissenschaftler resümiert nicht ohne Ironie: «Das historisch 200 Jahre alte Idyll der Kleinfamilie wird mit Hilfe der Reproduktionsmedizin aufrechterhalten.»

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