Es begann mit einem nicht ganz ernst gemeinten Bild: Gordon Stettinius posierte mit langer Lockenmähne im 1970er-Jahre-Look. Der Dozent für Fotografie in Richmond, US-Bundesstaat Virginia, liess sich so im Fotostudio von Terry Brown ablichten. Es war sein Beitrag zu einem Seminar mit Studenten.
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Dem Haar entlang
Dass später daraus eine ausgewachsene Serie von 50 Bildern werden würde, dachte keiner von beiden. Aber Stettinius fand Gefallen am Posieren in immer verrückteren Looks.
Mangini Studio – der fiktive Ort und Name für das Projekt – war geboren. Über acht Jahre liess sich Stettinius die Haare wachsen, schnitt diese wieder stufenweise zurück, versuchte sich an Lockenwicklern, bis er den Schädel ganz kahl rasieren liess.
Menschenkenntnis auf die Probe gestellt
Der Bart wuchs, parallel zur Lust am Experiment. Stettinius schlüpfte in fremde Identitäten, kein Typ war ihm zu abwegig: der seriöse Politiker, der Rockstar, der biedere Mann von nebenan, bei dem man nicht so recht weiss, was sich alles hinter der Fassade versteckt.
Mit jedem weiteren Bild verstärkte sich der Spassfaktor. Allmählich offenbarte sich auch eine Botschaft dahinter: Wie schnell glauben wir doch, jemanden allein aufgrund seines Aussehens einschätzen zu können. Dabei droht stets die Klischeefalle zuzuschnappen – je mehr spezifische Äusserlichkeiten, umso gnadenloser.
«Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?»
Dies erfuhr Gordon Stettinius auch am eigenen Leib, als er im jeweils aktuellen Look durch den Alltag ging. Aufmerksamkeit, aber auch viel Skepsis und Distanz der Menschen erlebte er dabei. Für sich wertet er das Projekt dennoch als eine spannende Erfahrung.
Irgendwann war's dann aber genug. Nach acht Jahren immerwährender Veränderung befand Stettinius, er wisse gar nicht mehr, wie er eigentlich richtig aussehe.
Im Hawaii-Hemd mit Schnauzbart und einem besonders lang gezogenem Seitenscheitel lernte er übrigens seine jetzige Frau kennen. Bis heute weiss er nicht, ob er deshalb an ihrem Geschmack zweifeln soll.