Zum Inhalt springen

Header

Inhalt

Kunst Kunstsammlung Gurlitt: Was gehört wem?

Wem gehören die rund 1400 Kunstwerke, die in Cornelius Gurlitts Wohnung beschlagnahmt wurden? Und wie kam sein Vater Hildebrandt Gurlitt in ihren Besitz? Antworten auf die erste Frage werden Juristen liefern. Aber erst wenn Provenienzforscher die zweite Frage beantwortet haben.

Riesig ist das öffentliche Interesse, seit die Medien über den Fall Gurlitt berichten: Die Kunstsammlung des Händlers Hildebrandt Gurlitt wurde in der Wohnung seines Sohnes 2012 beschlagnahmt. Und von Anfang an bestand der Verdacht: Es könnten sich darunter Kunstwerke befinden, die NS-Raubkunst sind. Einfach ist das Vorgehen bei jenen Werken, die unverdächtig sind und zweifelsfrei dem Beschuldigten gehören. Sie sollen laut Staatsanwaltschaft schnellstmöglich an den Erben Cornelius Gurlitt zurückgehen.

Kunstwerke auf Internetseite

Box aufklappen Box zuklappen

Rund 600 der in Gurlitts Wohnung beschlagnahmten Kunstwerke, bei denen der Verdacht auf NS-Raubkunst besteht, sollen fortlaufend auf der Internetseite www.lostart.de publiziert werden. Berechtigte sollen so rascher vermisste Kunstwerke identifizieren und Ansprüche geltend machen können.

Anders bei den rund 600 Werken, die bisher im Verdacht der NS-Raubkunst stehen. Diesen Verdacht zu belegen oder zu entkräften, das ist die Aufgabe von Provenienzforschern. Sie erstellen die detaillierte Biographie eines Kunstwerks. Und erforschen dazu eine Geschichte der Handänderungen: Wann wurde das betreffende Kunstwerke von wem und zu welchem Preis gekauft? Und zentral sind dabei die Handänderung seit 1933, sagt Esther Tisa Francini, Provenienzforscherin am Zürcher Museum Rietberg.

Diverse Methoden des Kunstraubs

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurden jüdische Sammler und Kunsthändler verfolgt. Teil der Verfolgung war, ihnen ihren Besitz zu rauben oder abzupressen. «NS verfolgungsbedingt entzogene Kunst» ist der Fachterminus für NS-Raubkunst. Darunter fallen erzwungener Verkauf (um etwa Flucht oder Emigration zu finanzieren) Verkauf zu untersetzten Preisen, Nichtauszahlung des Kaufpreises oder schlicht Diebstahl. Diese historischen Vorfälle nachzuweisen, das ist die detektivische Aufgabe der Provenienzforschung.

Erben derart beraubter jüdischer Kunsthändler oder Sammler können Ansprüche auf das betreffende Kunstwerk erheben. Wenn sie denn davon erfahren. Und die Restitutionsforderung durch die Erben kann einen jahrelangen Rechtsstreit nach sich ziehen. Um einiges besser liegt der Fall, wenn Erben von Museen informiert werden, dass sie Ansprüche auf ein bestimmtes Objekt in der Sammlung haben.

So geschehen im Fall der aussereuropäischen Kunst-Sammlung des Eduard von der Heydt im Zürcher Museum Rietberg, die Esther Tisa Francini untersuchte. Die Erben des jüdischen Sammlerehepaars Rosa und Jakob Oppenheimer wurden vom Museum entschädigt – für vier chinesische Kunstwerke. Diese, das ergaben die Recherchen von Ester Tisa Francini, wurden 1934 zwangsversteigert und von Eduard von der Heydt erstanden.

Gute Aktenlage im Fall Gurlitt

Video
Gurlitt äussert sich zu Kunst-Affäre
Aus Tagesschau vom 17.11.2013.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 25 Sekunden.

Seit 1998 besteht die moralische Verpflichtung, Raubkunst zu identifizieren und mit den Erben der jüdischen Sammler oder Händler zu einer gerechten und fairen Lösung zu kommen. Das allerdings ist je nach Fall eine schwierige Aufgabe. Weit schwieriger als die bereits diffizile Aufgabe der Provenienzrecherche, sagt Esther Tisa Francini.

Im Fall Gurlitt sei die Ausgangslage aber gut, so die Provenienzforscherin weiter. Denn neben den Kunstwerken beschlagnahmten die Behörden auch die Geschäftsbücher von Hildebrandt Gurlitt. In diesen Büchern finden sich vermutlich erste Anhaltspunkte zu den Erwerbungen, die Gurlitt tätigte. Eine gute Basis für eine weiterführende Recherche.

Nicht immer seien solche Akten vorhanden, sagt Tisa Francini. Viele Unterlagen wurden im Krieg zerstört, gingen verloren, oder aber keiner hat heute Interesse daran, diese historischen Akten herauszugeben. Verpflichtet ist dazu niemand. Denn die Washingtoner Erklärung von 1998 ist nicht mehr als eine moralische Verpflichtung, «soft law» und nicht bindend.

Meistgelesene Artikel