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Kunst Mit Tusche bannt er den Krieg auf Papier – schonungslos ehrlich

Eine Ausstellung im Cartoonmuseum Basel zeigt, wie der Künstler Joe Sacco Journalismus und Comic gekonnt zusammenbringt. In seinen Bildern taucht oft auch er selbst auf. Dadurch macht er transparent, wie er zu Informationen kommt. Aber auch, dass er oft unsicher ist, ob er einer Quelle trauen kann.

Joe Sacco zeichnet sich selbst stets leicht karikiert: mit dicken Lippen und einer Sonnenbrille, die statt Augen zwei runde, weisse Flecken zeigt. So ist er in seinen Reportagen unterwegs in Palästina, Bosnien oder auf Malta, wo er das Schicksal der Flüchtlinge auf dem Mittelmeer zeichnerisch dokumentiert. Immer dabei hat er eine Tasche. Darin ist sein Reporterwerkzeug verstaut: Fotokamera, Aufnahmegerät, Stift und Papier.

Er spricht über Missbehagen und Zweifel

Ein Comiczeichner, der sich selbst darstelle, verleihe seinen Bildern Glaubwürdigkeit, sagt Anette Gehrig, Kuratorin und Direktorin der Cartoonmuseums: «Als Journalist tritt er selbst im Comic auf; er spricht über sein Missbehagen, aber auch über seine Misserfolge, seine Zweifel, sein Unklarheiten und verbirgt nichts – das schafft eine gewisse Wahrhaftigkeit.»

Ein Mann in blauem Pullover sitzt an einem Schreibtisch, das Kinn auf die Hand gestützt.
Legende: Comiczeichner Joe Sacco. NashCO Photography LLC, Portland.

Sacco legt also zeichnerisch offen, dass er an gewisse Informationen nicht herankommt, dass er widersprüchliche Aussagen erhält. Er thematisiert, was die teilweise traumatischen Erlebnisse seiner Zeugen, etwa in Gaza, mit deren Erinnerung machen. Das tut er mit schwarzer Tusche, die Hintergründe sind ausschraffiert bis ins letzte realistische Detail.

Im Cartoonmuseum Basel kann man diese aufwendige Technik auf 150 Originalen bewundern. Und auch, wie Sacco das Geschehen stets aus verschiedensten Perspektiven zeichnet. «Eines der Bilder zeigt wunderschön, wie Sacco auf einem Bild verschiedene Perspektiven vereint: jene der Täter und Opfer, aber auch die der Person, die die Geschichte erzählt», sagt Anette Gehrig.

Verschiedene Perspektiven in einem Bild

Sacco wird 1960 auf Malta geboren. In den USA studiert er Journalismus. Zeichnen ist ein Hobby, das er später zum Beruf macht. Sein Vorbild ist der satirische Comicautor Robert Crumb. In dessen Tradition zeichnet Sacco während seinen Anfängen in den 1980er-Jahren autobiographische und satirische Cartoons.

Die Ausstellung

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Die Schau «Joe Sacco. Comics Journalist» findet vom 7. November bis 24. April 2016 im Cartoonmuseum Basel statt. Zu sehen sind 150 Originale – von den autobiografischen und politischen Anfängen über die bekannten Comicreportagen «Palästina», «Bosnien» und «Gaza» bis hin zu neuesten, satirischen Arbeiten.

Doch schon bald rückt die Politik in seinen Fokus, etwa in der Geschichte «War Junkie», wo er sich selbst als nachrichtensüchtiger TV-Konsument während des Irakkriegs karikiert. Und schliesslich erscheint Mitte der 1990er-Jahre seine erste lange Comicreportage über das krisen- und kriegsgeplagte Palästina. Das sei damals ein Novum gewesen in der Comicszene, sagt Anette Gehrig: «Es ist Saccos Verdienst, dass die Comicreportage wiederentdeckt und weiterentwickelt wird; er hat viele junge Künstler beeinflusst und zieht eine ganze Generation nach sich.»

Der Reportage blieb er bis heute treu. Doch aktuell knüpft der 55-jährige Zeichner wieder vermehrt an seine cartoonistischen Arbeiten an. Der Kreis schliesst sich: Joe Sacco ist wieder bei seinen Anfängen angelangt. Und mit ihm die Besucherin im Cartoonmuseum, das diesen künstlerischer Weg in seinen Räumen anschaulich erfahrbar macht.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 9.11.2015, 17:15 Uhr.

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