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Kunst Von der Kunst zu überleben

An den Bieler Fototagen zeigen 38 Fotoschaffende in diesem Jahr in 22 Ausstellungen Arbeiten zum Thema Adaption. Um soziale Anpassung geht es dabei ebenso wie um Manipulation von Erbgut. Das Thema ist spannend, die Auswahl der Ausstellungen überzeugend.

Adaption, Anpassung. Das Thema ist so zeitlos wie aktuell und enorm breit. Die diesjährigen Bieler Fototage veranschaulichen dies. Die schwedische Fotografin Kerstin Hamilton hat ein Fischerdorf in Sri Lanka fotografiert, das sich durch den Bau eines grossen Hafens und Flughafens in einen Verkehrsknotenpunkt Asiens verwandeln soll. Die in Bern lebende Deutsche Sabrina Gruhne beobachtet, wie sich eine ehemalige Bergbaugegend in Ostdeutschland in ein Freizeitparadies verwandelt.

Der Schweizer Fotograf Pierre Montavon hat in Hongkong Menschen besucht, die sich auf den Dächern pompöser Hochhäuser ärmliche Hütten gebaut haben. Und der Schwede David Magnusson hat junge Mädchen porträtiert, die ihren Vätern feierlich geloben, jungfräulich in die Ehe zu gehen, und sich damit einem religiösen Dogma beugen.

Brokkoli und Nashörner

Ausstellungshinweis

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Die Ausstellung «Adaption» der Bieler Fototage geht vom 28.8.2015 bis zum 20.9.2015.

Adaption, das zeigt bereits diese kurze Aufzählung von Beispielen, hat ein vielgestaltiges Gesicht. Anpassung kann sinnvoll sein, sie hat aber auch eine destruktive Seite und kann der Unterwerfung sehr nahe kommen. Sehr deutlich zeigt dies eine formal bescheiden wirkende Fotoserie von Robert Zhao Renhui aus Singapur, die gleichwohl einen zentralen Platz in der Ausstellung hat.

Durch Robert Zhao Renhuis Bilder von manipulierten oder mutierten Tieren und Pflanzen wurde die Direktorin der Bieler Fototage Hélène Joye-Cagnard zum Thema Adaption angeregt. Die Fotografien sind postkartenklein auf weisse A4-Blätter gedruckt und hängen in sauberen Reihen nebeneinander. Die Bilder, sachlich, aufs Wesentliche reduziert, erinnern an Schulbücher, die Sujets wirken meist unauffällig: ein bunter Fisch, ein Brokkoli, eine Kuh ohne Hörner und ein Nashorn, ebenfalls hornlos. Ihre wahre Sprengkraft entfalten die Bilder, wenn man die kurzen, englischsprachigen Texte dazu liest.

Da erfährt man, dass Nashörner zuweilen ohne Horn geboren werden. Biologen vermuten dahinter eine Anpassungsleistung, denn in einer Welt, in der Elfenbein ein begehrtes Gut ist, haben hornlose Tiere bessere Überlebenschancen. Die Kuh ohne Hörner jedoch ist das Ergebnis aufwändiger Züchtungen. Viele Landwirte finden hornloses Hornvieh einfach praktischer.

Spasszüchtungen

Robert Zhao Renhui ist Fotograf und Wissenschaftler zugleich. Er kennt viele Forscher und aktuelle Forschungen und hat Zugang zu zahlreichen Labors. Seine Bilder und Texte weisen ihn als genauen Beobachter aus, der kritisch betrachtet, was wir Menschen mit unserer Umwelt anstellen. Ohne vorschnell zu verurteilen. Der Brokkoli, so erfährt man, wurde bereits vor rund 2000 Jahren von asiatischen Feinschmeckern aus einer Wildpflanze gezüchtet.

Menschliche Eingriffe in die Natur können durchaus gut und sinnvoll sein. Doch was ist mit den bunten Fischen, die aussehen, als habe jemand sie mit Textmarker angemalt? Diese Tiere werden von manchen asiatischen Forschern eher zum Spass gezüchtet, allein um zu zeigen, was alles mit Züchtung möglich ist.

Die Fotografien von Robert Zhao Renhui zeigen, wie ambivalent und spannungsvoll das Thema Adaption ist. Auch die anderen Ausstellungen, die landschaftliche oder gesellschaftliche Anpassungen thematisieren, sind beeindruckend. Mit dem Begriff Adaption haben die Bieler Fototage in diesem Jahr ein Thema gefunden, das aktuell und überzeugend ist und das sich in allen ausgewählten Arbeiten wiederfinden lässt.

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