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Literatur Alis Boxkampf zwischen Krokodilen und Korruption in Kinshasa

Der amerikanische Journalist Bill Cardoso landete 1974 in Zaire, wie der Kongo damals hiess. Sein Job: über den Boxkampf des Jahrhunderts schreiben, den «Rumble in the Jungle» zwischen George Foreman und Muhammad Ali. Cardosos Reportage veränderte das Genre. Nun ist sie auf Deutsch erhältlich.

Eigentlich ist alles klar: Bill Cardoso würde zusammen mit all den anderen Journalisten nach Kinshasa fliegen. Er würde dort über den grössten Boxkampf des Jahrhunderts am bizarrsten Ort des Jahrhunderts und mit der grössten Börse des Jahrhunderts schreiben.

Buchhinweis

Box aufklappen Box zuklappen

Bill Cardoso: «Rummel im Dschungel». Edition Tiamat, 2014.

Er würde nichts mitbekommen von all dem, was sonst noch so läuft rund um den Kampf. Nichts von den korrupten Sportfunktionären und Pressesprechern, nichts vom faschistoiden Regime Präsident Mobutus und nichts von der Ignoranz des ganzen amerikanischen Boxmobs, der gerade in Kinshasa einfährt, als sei es Disneyland. Bill Cardoso würde einfach reisen, schreiben und wieder verschwinden. Wie die anderen auch.

Krokodile, Affenschädel und das korrupte Behördenpack

Video
Muhammad Alis Sieg vor 40 Jahren
Aus Tagesschau vom 30.10.2014.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 7 Sekunden.

Doch dann kommt alles anders. George Foreman fängt sich ein Cut an der rechten Augenbraue, die Verletzung muss genäht werden, und der Kampf wird um mehr als einen Monat verschoben. Der Boxmob verlässt das Land, um fünf Wochen später wiederzukommen, nur Bill Cardoso bleibt. Muss bleiben, weil ihm seine Zeitung das zweite Ticket nicht bezahlt und er selber kein Geld hat, sich eins zu kaufen. Und weil ihm einer der korrupten Sportfunktionäre sein Rückreiseticket abgenommen hat.

Und so sitzt Cardoso fünfzig Tage und fünfzig Nächte in Kinshasa fest und erlebt seinen persönlichen «Rumble in the Jungle», den er aufschreibt. Es entsteht eine stilbildende Reportage, in der es zweieinhalb Seiten ums Boxen geht und siebenundneunzigeinhalb Seiten um Zaire. Um die Krokodile im Fluss, die sich unter den malerischen Hyazinthenbüschel verstecken, um die Krankheiten, die man sich dort einfangen kann, um die Hühnerbrüste, die sich während des Essens als Affenschädel entpuppen, um die Kobra, die plötzlich mitten in der Stadt auftaucht und um das ganze korrupte Behördenpack, das Cardoso das Leben zur Hölle macht und das ihn dann doch noch ausreisen lässt. Nach der Bezahlung einer grösseren Summe Bargelds.

«Blödes Geschwätz» verändert den Journalismus

Cardoso reist nach Hause und gibt seinen Bericht ab. Der landet erstmal in der Schublade. Er sei blödes Geschwätz, meint der Chefredakteur der «New Times». Erst anderthalb Jahrzehnte später erscheint sie im Rahmen einer Cardoso-Gesamtausgabe.

Die Wirkung ist trotzdem enorm. Denn es gibt genug andere Journalisten und Autoren, die die Reportage kennen und ihren Stil übernehmen. Diese subjektive, ganz persönliche Sicht auf ein Thema. Trashig geschrieben und cool. Das ist neu und erhält auch gleich einen eigenen Namen: Gonzo-Journalismus, ein Fantasiewort aus Cardosos Freundeskreis.

Der Gonzo-Journalismus ist heute längst Teil des journalistischen Alltags. Wer schreibt nicht gelegentlich aus einer ganz subjektiven, persönlichen Warte heraus? Trotzdem kann man ihn jetzt nochmals entdecken. Zumindest im deutschsprachigen Raum. Denn der Ur-Gonzo-Text, die «Rumble in the Jungle»-Reportage von Bill Cardoso, kommt erst jetzt auf Deutsch heraus. Vierzig Jahre nach Foremans Flug auf die Bretter in Kinshasa, acht Jahre nach Cardosos Tod 2006.

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