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Literatur «Die Bertinis»-Autor Ralph Giordano ist gestorben

Er war Schriftsteller, TV-Autor und ein gefragter intellektueller Kopf: Ralph Giordano. Bekannt wurde er mit seinem autobiografisch geprägten Roman «Die Bertinis». Seine Verfolgung in der NS-Zeit begründete sein Lebensthema. Jetzt ist der jüdische Publizist mit 91 Jahren gestorben.

Ralph Giordano war ein energischer Mahner gegen Rechts. Jahrzehntelang warnte der jüdische Schriftsteller in Büchern, Aufsätzen und Vorträgen vor Rechtsradikalismus und Antisemitismus. Am Mittwochmorgen sei er in Köln im Alter von 91 Jahren gestorben, sagte eine Sprecherin seines Verlags Kiepenheuer & Witsch und bestätigte damit Informationen der Zeitung «Express».

Geprägt hat den Autor – weltbekannt geworden durch seinen Roman «Die Bertinis» – seine Demütigung, Verfolgung und Misshandlung durch die Nationalsozialisten in seiner Hamburger Jugendzeit. Das begründete sein Lebensthema, das er praktisch bis zum letzten Atemzug beibehielt. Giordano hinterlässt ein umfangreiches Werk – als Publizist wie auch als TV-Dokumentarist.

Als intellektueller Kopf hat Giordano zahlreiche Ehrungen erhalten, auch das Bundesverdienstkreuz oder den Leo-Baeck-Preis vom Zentralrat der Juden in Deutschland. Dem «rechten Ungeist» müsse man mit Aufklärung und inhaltlicher Auseinandersetzung begegnen und mit Zivilcourage, verlangte er.

Die lange unentdeckte Mordserie des Neonazi-Netzwerks NSU hatte ihn als schon Hochbetagten noch einmal aufgeschreckt. «Mir wird bange um die demokratische Republik – die einzige Gesellschaftsform, unter der ich mich sicher fühlen kann.»

Bestseller, TV und Filme

Seinen künstlerischen Nachlass überlässt er dem Deutschen Literaturarchiv Marbach. Er hat 23 Bücher geschrieben, von denen viele Bestseller sind und in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden.

Die autobiografische Familiensaga «Die Bertinis» (1982), «Die zweite Schuld oder von der Last ein Deutscher zu sein» (1987) oder auch «Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte» (1989) gehören zu den Hauptwerken. Viel beachtet ist auch seine Autobiografie «Erinnerungen eines Davongekommenen» (2007).

Als Fernsehmann arbeitete er ab 1961 zunächst beim Norddeutschen Rundfunk, drehte dann von 1964 bis 1988 für den WDR rund 100 Filme aus aller Welt. 1972 zog er von Hamburg nach Köln.

Umstrittene Islam-Kritik

Giordano war aber auch ein streitbarer und umstrittener Mann. Viel Kritik löste er aus mit seinen Äusserungen zum Islam, zu einer aus seiner Sicht gescheiterten Integration von Muslimen und zum Bau der Kölner Zentralmoschee.

Zugespitzte Äusserungen in Talkshows und die Bezeichnung «menschliche Pinguine» für verschleierte muslimische Frauen lösten Empörung aus. Dass man ihm gemeinsame Sache mit Rechtsradikalen vorwarf, verletzte ihn. Es gehe ihm nur darum, solche Erscheinungen des Islam anzuprangern, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar seien, rechtfertigte er sich.

Die NS-Verfolgung prägte Giordanos gesamte Leben

Als Sohn einer Jüdin und eines Sizilianers war er dem Holocaust als Jugendlicher nur knapp entkommen. «Es ist eine Lebensphase, die alles geprägt hat, was ich danach getan habe», betonte er. Als die Mutter im Februar 1945 deportiert werden sollte, versteckten sich die Giordanos in einem Kellerloch. Am 4. Mai 1945 wurden sie von der britischen Armee befreit.

Wenig bekannt war der Privatmann Giordano. Dreimal hatte er geheiratet. In seinen letzten Lebensjahren lebte der schmächtige Herr mit der imposanten weissen Haarmähne recht zurückgezogen in seiner Wohnung in einem Kölner Hochhaus. Sein scharfer Intellekt ist ihm bis zuletzt erhalten geblieben.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 10.12.14, 17:10 Uhr

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