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Musik Bernie Krause sammelt den Sound der Natur

Als Wunderkind der Violine hatte Bernie Krause ein Ohr für den einzelnen Ton, mit dem Synthesizer entdeckte er später den vollen Sound. Als Bioakustiker sollte er die Stimmen einzelner Tiere erforschen. Doch dann fand er die Klanglandschaften der Natur.

  • Die heute so genannte Bioakustik, die Erforschung der Tierstimmen, hat sich lange Zeit auf das einzelne Tier konzentriert.
  • Relativ neu ist die Erforschung von ganzen Lebensräumen, sogenannten Habitaten. Diesen Forschungszweig nennt man Soundscape-Ökologie.
  • Bernie Krause ist ein Pionier der Soundscape-Ökologie. Über 4'500 Stunden von Klanglandschaften hat er gesammelt.

Klanglandschaften aus der ganzen Welt

Bernie Krause, geboren 1938, gehört zu ihren Pionieren. Nach einer einträglichen Karriere als Musiker und Soundproduzent für Hollywood studierte er noch einmal etwas ganz anderes: Er wurde Bioakustiker und verfügt heute in seinem digitalisierten Archiv in Kalifornien über 4'500 Stunden Klanglandschaften aus der ganzen Welt.

Tontechniker bei Aufnahmen von Naturtönen
Legende: Aus tausenden Stunden gesammelter Töne ist ein gigantisches Archiv entstanden. Getty Images

Was Krauses Soundscapes auszeichnet, das ist zum einen die technisch hochwertige Aufnahme jeweils ganzer Habitate, von denen es viele heute gar nicht mehr gibt. Zum anderen ist es der Umstand, dass Bernie Krause sie selbst alle besucht, aufgenommen und gehört hat.

Heute reist er nicht mehr so viel, hört dafür unentwegt seine Sammlungen durch und bringt sie in einem eigenen Label Wild Sanctuary als CD heraus.

«Jetzt bin ich ein Hörender!»

Krause sagt: «Jetzt bin ich ein Hörender!» Und es ist gerade dieser subjektive Zugang, der seine Methode der Soundscape-Ökologie ausmacht.

Heutzutage ist die ökologische Arbeit mit Klanglandschaften der Natur zwar keine Seltenheit mehr, aber mit digitalen Rekordern kann man hunderte von Stunden aufnehmen, ohne dass ein Mensch dabei ist. Der Algorithmus übernimmt die interpretatorische Arbeit. Damit kann Krause nicht sehr viel anfangen.

Klangwelten entdecken und erforschen

«Mit Naturklängen habe ich schon seit 1968 gearbeitet, das Aufnehmen in der Natur war sehr entspannend. Ich habe die Soundscapes wirklich genossen, das Aufnehmen und das Abhören, aber es war eher eine ästhetische Angelegenheit als ein professionelles wissenschaftliches Herangehen.»

Später hat Krause entdeckt, wie beides zusammen geht. So überführt er per Software die Klanglandschaften aus seinem Archiv in Grafiken, sogenannte Spektrogramme:

Vogelschwarm
Legende: Die Symphonie tierischer Töne wird gestört, Vögel ziehen weiter dorthin, wo Futter ist. Getty Images

«Wenn Sie ein Spektrogramm betrachten, die grafische Illustration einer Klanglandschaft, einer gesunden Klanglandschaft, dann erkennen Sie unmittelbar wie sorgfältig der Klang organisiert und partitioniert ist. In einem Bereich des Frequenzspektrums sehen Sie die Insekten.

In einem anderen die Vögel, und jede Vogelart hat ihre eigene Abteilung in diesem Spektrogramm. Dann kommen die Säugetiere, Frösche und alle Arten von geräuschproduzierenden Kreaturen. Und jede von ihnen findet einen Platz im Orchester, so dass ihre Stimme unverstellt und unverdeckt von den anderen gehört werden kann.»

Der Mensch stört die tierische Musik

«Wenn Sie eine gesunde Klanglandschaft hören», sagt Krause. Das ist im Zeichen des Klimawandels und der immer weiter voranschreitenden Ausdehnung der Anthropo-Phonie – des Menschenlärms sozusagen, kaum mehr möglich. Dadurch hat sich die Bio-Phonie rasant verändert.

Das weist Krause in seinen ökologisch vielleicht wichtigsten Feldforschungen nach. Seit Jahrzehnten nimmt er in regelmässigen Abständen den Morgenchor der Vögel im Sugarloaf State Park auf, einem abgelegenen Ort nicht weit von seinem Haus:

«Es sind jetzt andere Vögel da als vor 20 Jahren. In diesem Jahr hat der Frühling zwei Wochen früher eingesetzt und verschiedene Pflanzen reifen früher, so dass die später eintreffenden Vögel nicht mehr auf deren Früchte zugreifen können. Das ist der Klimawandel, die Vögel ziehen dahin, wo das Futter ist.»

Von der Soundscape-Ökologie zur Symphonie

Pessimistisch gesehen kommt der Erkenntniswert der Soundscape-Ökologie zu spät. Optimistisch ist es vielleicht mehr als ein Trost der Muse, dass der englische Komponist Richard Blackford nach der Lektüre von Krauses Buch «Das Grosse Orchester der Tiere. Vom Ursprung der Musik in der Natur» eine gleichnamige Symphonie komponiert hat.

Darin erklingen neben dem grossen Orchester die digitalen Klanglandschaften von Bernie Krause, für den ohnehin feststeht: «Die Griechen lagen daneben. Es war nicht Orpheus, der den Tieren den Gesang beibrachte. Es waren die Tiere, die Orpheus das Singen lehrten.»

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