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Unisono in der Oper Die musikalische Sprache der Liebe

Wo die Worte versagen, kann die Musik noch tiefere Gefühle ausdrücken. Gibt es eine musikalische Sprache der Liebe?

Wenn nicht gerade jemand bedroht oder sogar umgebracht wird, geht es in der Oper vor allem um Liebe. Zwei beteuern einander ihre Zuneigung: «Ich liebe dich», «Je t’aime» oder vorzugsweise «Ti amo».

Das lässt sich mit Worten auf noch so poetische Weise ausmalen: Es bleibt eine hohle Behauptung, wenn der Tonfall dazu nicht stimmt. So muss der Gesang mit aller Intensität bestätigen, ja überhöhen, was da gesagt wird. Das ist der eigentliche Reiz der Oper. Warum sollte man denn sonst so etwas singen?

Ein enger Tanz der Stimmen

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Diana Damrau (Sophie) und Sophie Koch (Octavian) singen ein Duett im Stück «Der Rosenkavalier». (Youtube)

Dafür haben die Komponisten im Lauf der Jahrhunderte verschiedene Mittel entwickelt. In einem Liebesduett bewegen sich die Stimmen nicht bloss nebeneinander, sie treten in eine Beziehung, in eine möglichst enge.

Eines der ältesten Ausdrucksmittel dafür ist es, die beiden Stimmen in eins gehen zu lassen. Sie zu verschmelzen – in einem Unisono. Dann singen beide das gleiche, was ein enormer Effekt ist, zumal man das Unisono sonst eher vermeidet.

Es muss sinnlicher klingen

Dieses Singen im Einklang oder in Oktaven reichte den Komponisten schon bald nicht mehr aus. Es musste etwas sinnlicher klingen – wohltönender war, die Stimmen in Sexten- oder Terzenparallelen zu führen. Wunderbar.

Opernsängerin und -Sänger auf einer Bühne. Er, sitzend, hält ihre Beine fest.
Legende: Eng umschlungene Stimmen: Mélissa Petit und Reinoud Van Melchen als Créuse und JAson in «Médée» am Opernhaus Zürich. T+T Fotografie / Opernhaus Zürich

So entsteht eine besondere Intensität, etwa wenn Jason und Créuse in Marc-Antoine Charpentiers Tragédie lyrique «Médée» (die kürzlich am Opernhaus Zürich zu erleben war) in Parallelen ihre Liebe beteuern.

Damit ist schon eine beträchtliche Nähe erreicht. Aber es darf noch etwas näher sein. Dann verschlingen sich die Stimmen gegenseitig, liebenden Körpern gleich, vielarmig und in ständiger Umkreisung. Das lässt sich trefflich musikalisch umsetzen.

Der Effekt des Umschlingens

In «Pur ti miro», dem Schlussduett etwa zu Claudio Monteverdis «Incoronazione di Poppea» (1642), schmiegen sich die beiden Stimmen aneinander und umkreisen sich erotisch. Man vergisst dabei ganz, dass es sich hier um den tyrannischen Kaiser Nero und seine intrigante Geliebte Poppea, eine Prostituierte, handelt – fragwürdige Charaktere also.

Mehr noch: Ganz wird der Effekt dieses Umschlingens erst spürbar, wenn Nero ebenfalls von einer hohen Stimme, dem Sopran eines Countertenors oder damals wohl eines Kastraten gesungen wird. Dann bewegen sich die beiden Stimmen auf der gleichen Höhe und umgarnen einander.

Es geht unter die Haut

Überhaupt die Höhe, die Überhöhung – sie ist das dritte Steigerungsmittel der Sinnlichkeit. Deshalb wurden von jeher als Liebhaber die Tenöre oder im Barock die Kastraten bevorzugt.

Deshalb hat man auch einige junge Liebhaber als Hosenrolle besetzt: Eine Frau übernimmt diese Partie. Nicht, weil der junge Mann noch keinen Stimmbruch hatte, wie man’s manchmal realistisch zu erklären versucht. Sondern, weil die Stimmen sich so hinauftreiben lassen.

Es geht unter die Haut, wenn sich Sophie und der «Rosenkavalier» Octavian bei der Überreichung der silbernen Rose in hohen Lagen vokal umschlingen und am Schluss in einem Unisono zusammentreffen. Sinnlicher geht’s kaum – da ist die Musik im siebenten Himmel.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Musik unserer Zeit, 22.2.2017, 20 Uhr.

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