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Les Reines Prochaines: «I hate diets» (1995)
Aus Kultur Extras vom 15.04.2015.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 48 Sekunden.
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Musik Les Reines Prochaines sind die gekrönten Performance-Königinnen

Sie experimentieren und provozieren mit professionellem Dilettantismus. Seit 28 Jahren stellen Les Reines Prochaines Frauenbilder und Kunstvorstellungen auf den Kopf. Sie sind selbst erstaunt, dass sie so lange durchgehalten haben. Nun haben sie eine neue Idee ausgeheckt.

Ihr erstes Programm hatten sie innerhalb einer Woche auf die Beine gestellt. «Wir waren unbedarft damals, spontan. Heute dauert dieser Prozess Monate – wir werden älter.» Muda Mathis, Mitgründerin der Basler Frauenformation Les Reines Prochaines und Mitte 50, sinniert und schmunzelt.

Damals, das war Mitte der 1980er-Jahre. Die gebürtige Zürcherin studierte in Basel, sie belegte die erste Videofachklasse. Inspiration fanden sie und Gleichgesinnte auf dem Gelände der Alten Stadtgärtnerei. Der Kampf der Jugendbewegung für ein autonomes Jugendzentrum sowie die Frauenbewegung waren 1987 denn auch Nährboden für die Gründung des Frauenkollektivs. Muda Mathis: «Es gab keine Frauenästhetik. Wir wollten herausfinden, wer wir waren, welche künstlerische Sprache Frauen entwickeln, wenn sie zusammen arbeiten.»

Das erste Menü entsteht in der Küche

Die Idee einer Performance-Band reifte schliesslich beim gemütlichen Zusammensitzen am Küchentisch. Mathis: «Wir nannten uns zu Beginn nicht Les Reines Prochaines sondern Les Reines des Couteaux.» Auf der Bühne kochten sie Suppe, hackten und schnetzelten. Begleitet von einem Synthesizer, von Rhythmen und Gesang. War das Gericht fertig, war auch die Performance zu Ende.

«Wir spielten in der alternativen Szene, im Untergrund. Die Reaktionen waren grandios. Wir eroberten sowohl den Bühnen- als auch den politischen Raum.» Sie waren junge Frauen, die sich trauten. Aufmüpfig. Wahrhaftig. «Ich glaube, es war diese Energie, die das Publikum spürte. Nach einem halben Jahr waren wir völlig ausgepowert.»

Der professionelle Dilettantismus

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Les Reines Prochaines (1992) mit Pipilotti Rist am Bass
Aus Kultur Extras vom 15.04.2015.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 31 Sekunden.

Später sassen die «Reines» wieder an einem Küchentisch. Beschlossen mit neuem Elan, neuem Namen und neuen Frauen weiterzumachen. Fränzi Madörin und Pipilotti Rist stiessen zur Band. Rist und Mathis kannten sich schon länger, waren befreundet, studierten gemeinsam. Zusammen bestiegen sie den Thron und entwickelten – auch für die Bühne – neue Bildwelten.

Les Reines wurden zusehends professioneller, obwohl sie stets den Dilettantismus zelebrierten. Mathis: «Wir suchen bis heute nicht das Erhabene, das Extreme, das Absolute, das Göttliche. Dieses Streben wird schnell zur Verbissenheit. Das ist doch ungesund. Wir suchen das Menschliche. Es braucht allerdings grosse Coolness und viel Mut, das Unreine zuzulassen.»

Der harte Kern

1994 verliess Pipilotti Rist die Band und ging eigene Wege. Die Freundschaft ist geblieben. Seither touren die «Reines» in wechselnder Formation durch ganz Europa. Seit 17 Jahren gibt es einen harten Kern: Muda Mathis, ihre Lebensgefährtin Sus Zwick, Fränzi Madörin und Michèle Fuchs.

«Ich bin immer wieder erstaunt, wie lange wir durchgehalten haben. Ohne Fränzi wäre dies allerdings nicht möglich gewesen. Dank ihrer sozialen Autorität haben wir Streit überwunden, Reibereien geschlichtet. Sie hat die Wogen geglättet, immer wieder einen Konsens gefunden», sagt Muda Mathis.

Neues Programm in Arbeit

Nun haben die Vier am Küchentisch erneut eine Idee ausgeheckt. Derzeit wird wie gewohnt rumprobiert, experimentiert und geschaut, was frau daraus extrahiert. Mathis: «Das Spielerische ist geblieben, auch wenn wir mit dem Alter an Naivität verloren haben. Aktuell interessieren uns Formen des Zusammenlebens. Privat und auch als Künsterinnen-Kollektiv. Das Thema wird sich als roter Faden durch das neue Programm ziehen.»

Und wenn wir schon beim Rumspinnen sind: Was würde Muda Mathis als gekrönte Königin den Frauen 2015 gebieten? «Frauen sollen endlich ihre Scheu ablegen, Macht und Verantwortung zu übernehmen. Sie müssen Entscheidungen treffen und andere mitziehen. Die Zeit ist längst reif für Königinnen.» Ihr Wunsch sei uns Befehl.

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