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re:publica 2017 Ein Hacker will unsere Liebe zu Computern retten

Wir brauchen mehr Freiheit im Netz, sagt der Hacker Jérémie Zimmermann. An der re:publica in Berlin appellierte er, passend zum Motto «Love out Loud», an die positive Kraft der Liebe.

  • Der französische Hacker und Netzaktivist Jérémie Zimmermann war zu Gast an der diesjährigen Netzkonferenz re:publica in Berlin.
  • Zimmermann sieht unsere Beziehung zu technischen Geräten in der Krise – demnach kann nur aktive Beteiligung der Nutzer die Liebe zu Computern retten.
  • Als Beispiel nennt er Free Software, bei der Nutzerinnen den Quellcode einsehen, gemeinsam bearbeiten und so verbessern können.

Früher haben wir Computer geliebt, heute hassen wir sie. Liebe und Hass liegen nahe bei einander – gerade wenn es um digitale Technologie geht. Das weiss keiner besser als der französische Hacker und Netzaktivist Jérémie Zimmermann.

Als Kinder habe er Computerspiele geliebt. Ohne zu Zögern hätte er seine Freunde gegen einen Computer getauscht. Heute wünsche er sich mehr Zeit mit ihnen. Ungestört von blinkenden Bildschirmen und nervtötenden Klingeltönen.

Ein Gefühl, das viele, die ihm zuhören, wohl kennen. An der diesjährigen re:publica in Berlin zeichnete Zimmermann ein düsteres Bild unserer heutigen Beziehung zu digitalen Geräten.

Zur Person

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Jérémie Zimmermann ist Mitbegründer von Hacking with Care und La Quadrature du Net. Als Aktivist und Hacker will er das Internet zu einem benutzerfreundlicheren Ort machen. 2012 wurde er für sein Engagement zum ACTA-Abkommen mit dem Pioneer Award der Electronic Frontier Foundation ausgezeichnet.

Vernetzt und einsam

Im Grunde würden wir uns betrogen fühlen, so Zimmermann: Die verheissungsvollen Versprechen, die das Internet uns vor Jahren gab, wurden nicht erfüllt. Computer und Smartphones geben uns das Gefühl von Machtlosigkeit. Statt mehr Zeit zu haben, haben wir das Gefühl, dem Weltgeschehen permanent hinterherzuhinken.

Trotz unzähligen Facebook-Freunden und Twitter-Abonnentinnen würden wir uns einsamer als je zuvor fühlen. Unsere Beziehung zu unseren digitalen Geräten sei von Hass geprägt.

Eine Krise des Vertrauens

Der Computer ist demnach zu unserem Feind geworden und wir zu seinem. Doch Zimmermann glaubt, dass der Wandel von einem modernen, aufgeschlossenen zu einem hassbasierten Umgang mit Technologie nicht nur von unseren persönlichen Erfahrungen geprägt ist.

Auch geopolitische Ereignisse, wie der NSA-Skandal oder das gescheiterte ACTA-Abkommen, beeinflussten unser Verhältnis zu den Geräten. Kapitalistische Machtverhältnisse im Netz hätten zudem Gefühle wie Misstrauen, Angst und Wut gegenüber dem digitalen Wandel verstärkt.

Nur scheinbar benutzerfreundlich

Und das zu Recht, sagte Zimmermann: Wir würden Geräte kaufen, die darauf programmiert sind, unsere Daten zu sammeln, zu überwachen und zu analysieren. Wir danken Apple und Microsoft für das benutzerfreundliche Design und geben dafür unsere Freiheit auf. Wird uns das bewusst, fühlen wir Hilflosigkeit, die schnell in Wut umschlägt.

Die re:publica

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Die re:publica in Berlin ist eine der einflussreichsten Konferenzen zu Netzthemen, Social Media und der digitalen Gesellschaft. Motto der diesjährigen re:publica: «Love out Loud» – Strategien gegen Hass im Netz.

Doch sollten wir nicht gerade jetzt – in Zeiten von politischer und ethischer Krise – unsere Beziehung zu unseren Computern überdenken? Sollten wir nicht gerade jetzt unsere Geräte nach unseren eigenen Regeln und Vorstellungen nutzen können?

Verliebt in den Computer

Der Netzaktivist Zimmermann ist überzeugt, dass wir unseren technologischen Optimismus schon durch kleinen Veränderungen zurückgewinnen können.

Getreu dem diesjährigen re:publica-Motto «Love out Loud» sprach Zimmermann über die Liebe zu unseren Computern, wie wir sie wiederentdecken und wie wir uns dadurch vielleicht selbst mehr lieben lernen.

Kontrolle beim Nutzer

Was sich nach Alt-Hippie-Parolen à la «Make love, not war!» anhört, ist in der Tat der weltweite, solidarische Gedanke von Free Software bzw. Hardware. Freie Software respektiert die Freiheitsrechte von Computernutzerinnen in allen Belangen.

Das bedeutet, der Nutzer hat die Kontrolle darüber, was mit seinen Daten passiert und kann so seine Privatsphäre gezielt schützen.

Gemeinsam verbessern

Dies ist nur möglich, weil der sogenannte Quellcode einer Free Software, wie beispielsweise Alpine Linux, Replicant oder QubesOs, mitgeliefert wird. Auf diese Weise kann jeder Nutzer den Softwarecode einsehen, verändern und sie auf seine Bedürfnisse anpassen.

Freie Software vs Open Source

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Beide Begriffe werden für Software verwendet, deren Quellcode öffentlich ist und von Dritten geändert werden kann. Während die Open-Source-Bewegung vor allem die praktischen Vorteile der Quelloffenheit sieht, legt die Freie Software den Fokus auf die Ethik. Kurz: Open Source ist eine Entwicklungs-methodik, Freie Software ist eine soziale Bewegung.

Free Software ist also eine Kollaboration von vielen verschiedenen Nutzerinnen, die gemeinsam versuchen, den Code zu verbessern und ihr Wissen frei zugänglich machen.

«Gegen die Illusion von Komfort»

Das Ziel von Free Software ist es, den Nutzer weg vom blinden Konsum hin zu aktiver Partizipation zu bewegen. Zimmermann betont: «Free Software macht Technologie menschlicher und ethisch vertretbar. Mit Free Software kämpfen wir gegen die Illusion von Komfort, die uns das Marketing der dominanten Akteure Apple und Microsoft vermittelt.»

Es geht um die Liebe

Die Nutzung von Free Software ist für Zimmermann ein Befreiungskampf. Ein Kampf, der durch solidarisches Teilen von Information, Wissensaneignung und gegenseitige Unterstützung gewonnen werden kann. Denn er ist sich sicher, dass dieser gemeinsame, positive Aktivismus unsere Liebe zu unseren Computern wieder weckt.

Wenn die Maschine uns gegenüber keine Black Box mehr ist, verstehen wir das eigene Nutzungsverhalten und schliesslich uns selbst besser. «It’s all about love» – so schliesst Zimmermann seinen Vortrag.

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