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Wolf in der Schweiz Der Wolf steht für die Ängste und Sehnsüchte der Schweiz

Was sollen wir eigentlich vom Wolf halten? Welches Bild haben wir von diesem Raubtier, das allmählich wieder in der Schweiz heimisch wird? Eine neue Ausstellung im Alpinen Museum Bern erforscht das Verhältnis zwischen Mensch und Wolf.

  • Im Zentrum der Ausstellung «Der Wolf ist da – eine Menschenausstellung» steht die Beziehung von Mensch und Wolf – nicht das Tier selbst.
  • Es kommen acht Menschen zu Wort, die in irgendeiner Weise mit dem Wolf zu tun haben – vom Bauern bis zum Wildhüter.
  • Die Ausstellung bezieht keine Stellung zum Thema. Der Besucher erhält eine Fülle von Blickwinkeln und Denkanstössen – und kann so die eigenen, vorgefertigten Denkmuster zum Wolf hinterfragen.

Der Titel irritiert erstmal: «Der Wolf ist da – eine Menschenausstellung». Doch tatsächlich werden hier Menschen ausgestellt. Oder vielmehr: Ihre Stimmen sind zu hören. Die Ausstellung besteht im Wesentlichen aus acht Hörstationen. Acht Menschen, die in irgendeiner Weise mit dem Wolf zu tun haben, erklären Ihre Sicht auf dieses bemerkenswerte Tier.

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Unterschiedliche Meinungen

«Wenn der Wolf nie weggewesen wäre, würden wir heute uns mit dem Wolf arrangieren und die Schafe nicht einfach auf die Alp schicken», sagt eine Zoo-Mitarbeiterin. Dagegen meint ein Schafzüchter: «Das Tier ist ja nicht vom Aussterben bedroht. Ich begreife nicht, warum der Wolf noch immer auf der Roten Liste der Berner Konventionen ist. In Westeuropa sollten wir ihn noch regulieren dürfen.»

Ein Züchter von Schutzhunden für Schafherden sagt: «Als Schafhalter wäre meine Philosophie: immer ein Schritt weiter sein als die Wölfe». Und der Wildhüter steht zwischen allen Fronten: «Wenn der Bauer anruft und sagt, er habe fünf tote Schafe, und du bist die Person, die er mit dem Wolf in Verbindung bringt – dann bist du das Feindbild.»

Ein ambivalentes Thema

Es geht also um Menschen. Doch im Zentrum des Ausstellungsraumes steht er dann doch, der Wolf. Gleich zweimal. Die beiden Tierpräparate aus dem Naturmuseum könnten unterschiedlicher nicht sein. Das eine Präparat ist Jahrzehnte alt. Es zeigt einen aggressiven, zähnefletschenden Wolf.

Das andere Präparat ist neuer. Es zeigt einen viel freundlicheren Wolf, der dem Betrachter aufmerksam und dabei entspannt in die Augen sieht. Die beiden Tiere stehen sinnbildlich für die ganze Ambivalenz des Themas – und sie stehen auch für das, was der Kurator und Museumsleiter Beat Hächler mit dieser Ausstellung beabsichtigt.

Präparate des «guten» und des «bösen» Wolfs.
Legende: Im Zentrum der Ausstellung: Der «gute» und der «böse» Wolf. Felix Brönnimann

«Diese Beziehung Mensch und Wolf finde ich spannend. Das Wildbiologische, was ist das genau für ein Tier, das gebe ich offen zu, das interessiert mich eigentlich weniger.»

Eine gesellschaftliche Frage

Die Ethnologin Elisa Frank forscht über das Verhältnis zwischen Mensch und Wolf im Rahmen eines Nationalfondsprojekt und hat an dieser Ausstellung mitgearbeitet. Auch sie findet es faszinierend, wie viele Fragen und Diskussionen die Wolfsthematik in unserer Gesellschaft auslöst:

«Selbstbestimmung und Autonomie: Das ist gerade in der Schweiz mit dem föderalistischen System eine wichtige Frage, weil die Kompetenzen bei Grossraubtieren eher auf nationaler Ebene liegen. Dann auch die Frage, wieviel Kontrolle und Sicherheit wir brauchen. Auch das Verhältnis von Stadt und Berggebiet ist ein wichtiges Thema, das anhand des Wolfs verhandelt wird.»

Hinweis zur Ausstellung:

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«Der Wolf ist da - eine Menschenausstellung» im Alpinen Museum Bern ist noch bis Anfang Oktober zu sehen.

Ur-schweizerische Thematik

So gesehen ist die Wolfsthematik also eine ur-schweizerische. Dies macht die Ausstellung durchaus deutlich. Doch sie liefert keine abschliessenden Antworten auf die Wolfsfrage. Und das ist ja auch gut so.

Die Thematik ist zu komplex, es gibt zu viele unterschiedliche Interessen, als dass die Diskussion so leicht abgehandelt wäre. Weil Betroffene und Experten hier im Originalton zu Wort kommen, erhalten Argumente und Meinungen eine grosse Eindringlichkeit.

Die Wolfsfrage bleibt offen

Die Ausstellung liefert dem Besucher damit eine Fülle von Blickwinkeln und Denkanstössen. Auch wenn sie selbst nicht eine klare Haltung in der Wolfsfrage beziehen mag – sie lädt dazu ein, die eigenen, vorgefertigten Denkmuster zu hinterfragen und macht klar, warum bei den so unterschiedlichen Positionen eine abschliessende Lösung der Wolfsfrage wohl kaum je möglich sein wird.

Zum Schluss werden die Besucher aufgefordert, ihre eigene Meinung über den Wolf zu formulieren und an eine Pinnwand zu nageln. Manch einer wird wohl eine Weile darüber nachdenken müssen. Und auch das ist gut so.

Sendung: Kultur Aktuell, Radio SRF 2 Kultur, 12. Mai 2017, 17.08 Uhr

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