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Journalismus in der Bredouille Neues Konzept der «Südostschweiz» stösst auf Kritik

Wie schafft eine Tageszeitung den Weg aus der Krise? Die «Südostschweiz» versucht es mit einem neuen Konzept – und stösst dabei auch auf Kritik.

Jahrzehntelang waren die Regionalzeitungen in der Schweiz profitabel, doch ihr Geschäftsmodell bröckelt. Werbung verlagert sich ins Netz, Onlineangebote konkurrieren mit dem Journalismus. In Graubünden ist die Tageszeitung «Südostschweiz» davon betroffen.

Immer weniger Menschen kaufen ein Abo für die einzige überregionale Tageszeitung in Graubünden. Die Auflage sank in den letzten 15 Jahren um 39 Prozent. Bei der Werbung betrug die Einbusse im gleichen Zeitraum 52 Prozent.

Die Familie Lebrument und ihr Medienhaus «Somedia»

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Portraitbild von einer Frau und drei Männern vor grauem Hintergrund.
Legende: Die Familie Lebrument Susanne Lebrument, Peter «Pesche» Lebrument, Hanspeter Lebrument und Silvio Lebrument-Vincenz im Jahr 2010. Keystone

Die Familie Lebrument hat die Medienlandschaft in Graubünden geprägt wie niemand sonst. 1971 begann Hanspeter Lebrument als damals 30-jähriger Journalist bei der «Neuen Bündner Zeitung». Mit angriffigem Regionaljournalismus und nahe bei den Leuten brachte er das Blatt auf Erfolgskurs, wurde zum Chefredaktor, später zum Geschäftsführer. 1999 kaufte er die Mehrheit an der späteren Somedia.

2020 übernahmen seine Kinder Susanne, Silvio und Pesche Lebrument die Kontrolle über das Unternehmen von ihrem Vater. Rückblickend sagt Susanne Lebrument selbstkritisch: Die Nachfolgeplanung ab 2014 habe «viel zu viele Ressourcen gebunden». 2017 sei Somedia am finanziellen Abgrund gestanden: «Ich würde es ganz hart so formulieren, es war ein Missmanagement der Familie.»

Seit 2018 setzt Somedia auf mehrere Standbeine, um das Geschäftsrisiko mit dem Journalismus zu reduzieren. Zum Unternehmen gehören heute auch die grösste Kommunikationsagentur Graubündens, E-Learning-Angebote oder ein Verlag für medizinische Fachzeitschriften. Die drei Kinder besitzen laut eigenen Angaben 87 Prozent der Firmenanteile, weitere 10 Prozent hält CEO Thomas Kundert, der an der neuen Strategie beteiligt war.

Eine Entwicklung, die das Bündner Medienhaus Somedia umtreibt. Seit einigen Jahren wird es von der zweiten Generation der Familie Lebrument geführt. Es sei dringend notwendig, ein neues Geschäftsmodell zu finden, sagt Susanne Lebrument, Delegierte des Verwaltungsrates: «Entscheidend sind die nächsten zwei bis drei Jahre, ob wir es schaffen oder nicht.»

Ein deutsches Journalisten-Duo soll es richten

Die Rettung soll das Internetgeschäft bringen. Dafür holte das Medienhaus Ende 2023 den deutschen Journalisten Joachim Braun. Der 60-Jährige leitete zuvor mehrere Regionalzeitungen und gilt als Spezialist für digitale Transformation. Braun leitet heute den gesamten Bereich Medien.

Seit Februar 2025 ist zudem Nikola Nording als neue Chefredaktorin der «Südostschweiz» an Bord. Mit der 36-Jährigen hat Braun bereits mehrere Jahre in Norddeutschland zusammengearbeitet. Braun: «Sie soll bei der Südostschweiz die Digitalisierung der Zeitung genauso gut umsetzen, wie sie es zuvor in Ostfriesland getan hat.»

Um Online-Artikel für mehr Leserinnen und Leser attraktiv zu machen, konzentriert sich Nording auf die sogenannten «User Needs». Neun verschiedene Kategorien sollen unterschiedliche Leserbedürfnisse abdecken.

Kritik am neuen Modell

Den Vorwurf, dass die «User Needs» neu bestimmen würden, worüber berichtet wird, weist die Chefredaktorin zurück. Ausschlaggebend seien weiterhin journalistische Kriterien.

Das funktioniert für Nutella oder Smartphones, aber im Medienbereich funktioniert das nicht.
Autor: Matthias Künzler Professor für Medienwissenschaften (FU Berlin / FH Graubünden)

Matthias Künzler, Professor für Medienwissenschaften an der FU Berlin und FH Graubünden, ist skeptisch. Er bezeichnet die Nutzerbedürfnisse als «Marketingansatz», hinter dem die Annahme stecke, dass die Leute etwas kaufen, wenn sie es haben möchten. «Das funktioniert bei Nutella oder Smartphones, aber nicht im Medienbereich.» Braun entgegnet, es gebe nur diesen Weg: «Wir können doch keine Artikel produzieren, die keiner lesen will.»

Diagramm der Benutzerbedürfnisse in verschiedenen Kategorien.
Legende: Neun verschiedene Kategorien sollen unterschiedliche Leserbedürfnisse – «User Needs» – abdecken. RTR

Kritik kommt ebenso aus der Politik. Mehrere Bündner Grossräte sagen, es fehle an Einordnung und der Informationsbedarf der Bevölkerung werde vernachlässigt. Quantitativ werde aus dem Parlament gleich viel berichtet, widerspricht Braun. Auch die Kulturszene ist unzufrieden. Zu viele belanglose Porträts, zu wenig Rezensionen, heisst es. Dagegen hält Joachim Braun, Leiter Medien bei Somedia: «Wir müssen den Spagat zwischen jenen Themen finden, die zum Nachdenken anregen und dem, was die Leute wollen.»

Im August 2025 zog die Redaktion nach der Einführung der «User Needs» eine erste Zwischenbilanz. Die Chefredaktorin äusserte sich positiv: Die Artikel würden besser gelesen, die Zahl der digitalen Abos steige kontinuierlich. Doch die Zahlen zeigen, es ist ein harter Kampf. Anfang September verzeichnete das Blatt 1900 Digital-Abos. Zum Vergleich: Die Printauflage beträgt 20'000.

SRF 1, DOK, 13.11.2025, 20:40 Uhr

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