Nein, die Einsatzkräfte hätten in jener Nacht 2023 im Quartier Plan-les-Ouates am Stadtrand von Genf nicht unverhältnismässig gehandelt. Das ist die zentrale Schlussfolgerung des Beschwerdegerichts (Chambre pénale de recours, CPR), das vor zwei Wochen sein Urteil gefällt hat. Es weist damit die Beschwerde ab, die die betroffene Familie nach dem Grosseinsatz eingereicht hatte.
Wie das Gericht sein Urteil im Einzelnen begründet:
Ereignet hatte sich der Vorfall am 26. September 2023 gegen Mitternacht. Elf vermummte und schwer bewaffnete Einsatzkräfte einer Sondereinheit der Genfer Polizei stürmten ein Haus, um einen jungen Mann festzunehmen. Er wurde verdächtigt, an einer Auseinandersetzung im Zusammenhang mit Waffen- und Drogenhandel beteiligt gewesen zu sein.
Die Einsatzkräfte überwältigten die anwesenden Personen und nahmen einen Rentner, seine Frau sowie zwei weitere Angehörige fest. Einigen von ihnen wurden Handschellen angelegt. Die Operation verlief allerdings erfolglos: Der Verdächtige befand sich nicht im Haus. Er wurde später festgenommen und schliesslich entlastet.
Beschwerden der Familie werden abgewiesen
Die Familie erstattete daraufhin im Dezember 2023 Strafanzeige, unter anderem wegen schwerer Körperverletzung, Gefährdung des Lebens, Freiheitsberaubung und Entführung, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und Amtsmissbrauch.
Am 15. Juli fiel ein erster Entscheid: Der Genfer Generalstaatsanwalt Olivier Jornot erliess einen Nichteintretensentscheid. Die Anwälte der Familie fochten diesen vor dem Beschwerdegericht an und forderten die Eröffnung einer ordentlichen Untersuchung. Vergeblich.
In einem am 20. November gefällten Urteil kommt das Gericht zum Schluss, dass der Einsatz vorschriftsmässig durchgeführt wurde. Das Leben der Familie sei nicht gefährdet gewesen.
Auch gab es nach Ansicht der Justiz keinen Grund, sich bedroht zu fühlen, da sich die Polizisten beim Betreten des Hauses ausgewiesen hätten. Die Operation sei verhältnismässig gewesen und gerechtfertigt durch die Schwere der Taten, die dem Verdächtigen vorgeworfen wurden, sowie seine mutmassliche Gefährlichkeit und die Dringlichkeit des Handelns.
Weiterzug ans Bundesgericht
Das Gericht räumt ein, dass den Betroffenen die Handschellen zu spät abgenommen wurden. Dafür könne jedoch kein bestimmter Polizist verantwortlich gemacht werden. In diesem Zusammenhang bekräftigt das Gericht, dass es den Beschwerdeführern weiterhin freisteht, rechtliche Schritte gegen den Staat einzuleiten.
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Ergebnis: Das Beschwerdegericht weist die Beschwerde der Familie ab. Es verurteilt die Beschwerdeführer zur Zahlung von 1500 Franken Verfahrenskosten. Die vom Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS) kontaktierten Anwälte der Familie äusserten sich nicht dazu. Sie erklärten jedoch, dass sie beim Bundesgericht Berufung einlegen würden.