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Deutschland gewährt türkischen Soldaten Asyl
Aus Rendez-vous vom 09.05.2017. Bild: Keystone
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Asyl für türkische Soldaten «Ärger mit Erdogan darf Berlin nicht kümmern»

Seit dem Putschversuch regiert bei Erdogan-Gegnern in der Türkei die Angst. Asyl für Verfolgte sei für Deutschland auch historisch Pflicht, sagt Heribert Prantl, Inlandchef der «Süddeutschen Zeitung».

SRF News: Deutschland gewährt türkischen Soldaten Asyl. Ist damit Ärger nicht vorprogrammiert?

Heribert Prantl: Ganz klar. Aber wenn man berechtigterweise Asyl gewährt, darf man sich um diesen Ärger nicht kümmern. Denn wann, wenn nicht in diesem Fall muss Asyl gewährt werden. Ganz offensichtlich werden hier türkische Staatsbürger verfolgt.

In diesem Fall sind es Soldaten, teilweise mit Diplomatenpässen. Das Erdogan-Regime unterstellt ihnen, dass sie für die Gülen-Bewegung und damit für Staatsfeinde arbeiten. Man weiss, dass die Anhänger dieses Predigers in der Türkei verfolgt werden

Deutschland hat einen juristischen Entscheid gefällt. Wieviel Politik steckt dennoch dahinter?

Wenn ein klarer Fall von Asyl vorliegt, kann man nicht nach den politischen Schwierigkeiten fragen. Es ist sicherlich so, dass die Regierung Erdogan mit allen möglichen Konsequenzen drohen wird. Angesichts der Klarheit der Situation hat Deutschland entschieden, sich nach dem Grundgesetz zu richten. Dieses fordert die Asylgewährung, ungeachtet allfälliger politischer Konsequenzen.

Welche Konsequenzen könnten dies sein?

Erdogan wird wahrscheinlich drohen, dass er den Flüchtlingen in der Türkei die Grenzen öffnen und sie losschicken wird. Das hat er bereits wiederholt getan. Ich gehe nicht davon aus, dass die Gefahr gross ist. Auch kann sich Deutschland auf diese Art und Weise nicht erpressen lassen.

Die Nato-Soldaten, die jetzt Asyl bekommen, haben einen Diplomatenpass. Inwiefern ist das für die Türkei von Bedeutung?

Die Menschen, um die es jetzt geht, sind Teil des türkischen Apparats. Es tut dem Regime natürlich weh, wenn solche Angehörige Asyl beantragen. Denn es zeigt, wie gross die Verfolgungsgefahr in der Türkei ist.

Die Asylgesuche zeigen, wie gross die Verfolgungsgefahr in der Türkei ist.
Autor: Heribert Prantl

Was aber in diesem Kontext besonders wichtig ist: Deutschland hat auch so etwas wie eine Verpflichtung. 1933 nahm die Regierung Atatürk tausende deutscher Wissenschaftler und Kulturschaffender auf, die in Deutschland verfolgt wurden – vom späteren Berliner Bürgermeister Ernst Reuter bis hin zu Musikern wie Paul Hindemith und Ernst Praetorius. Auch daraus erwächst nun viele Jahrzehnte später eine deutsche Verpflichtung. Auch damals waren es Beamte, die verfolgt wurden und denen Zuflucht und Hilfe gewährt wurden.

Das Gespräch führte Simon Leu.

414 türkische Asylanträge bis Anfang Mai

414 türkische Asylanträge bis Anfang Mai
Erstmals haben mehrere türkische Soldaten und ihre Familien politisches Asyl in Deutschland erhalten. Das Innenministerium in Berlin bestätigte einem Bericht der Sender WDR und NDR sowie der «Süddeutschen Zeitung». Bei den anerkannten Asylfällen handelt es sich auch um Nato-Soldaten, die vor ihrer Entlassung aus der türkischen Armee in Deutschland stationiert waren. Sie besitzen in der Regel einen Diplomatenpass.

Wie die Medien unter Berufung auf das Innenministerium weiter berichten, haben seit dem Putschversuch bis Anfang Mai 414 türkische Soldaten, Diplomaten, Richter und hohe Staatsbeamte in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Diese Zahl umfasst auch Familienangehörige.

Die Asylgesuche von Türken mit einem Diplomatenpass gelten als aussenpolitisch heikel, da eine Anerkennung von solch hochrangigen Antragstellern das ohnehin belastete Verhältnis Deutschlands zur Türkei noch weiter verschlechtern könnte. Ende Januar hatte der türkische Verteidigungsminister Fikri Isik gefordert, dass Deutschland alle Asylanträge türkischer Offiziere ablehnen solle.

Heribert Prantl

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Porträt Heribert Prantl

Der deutsche Jurist, Journalist und Autor leitet seit 1995 das Ressort Innenpolitik bei der «Süddeutschen Zeitung» in München. Seit 2011 ist er Mitglied der Chefredaktion des Blattes.

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