Die erste Runde der Brexit-Verhandlungen zwischen der EU und Grossbritannien Ende Juni war eine Art gegenseitiges Beschnuppern. Und es wurden die Regeln für die Verhandlungen festgelegt. Ab heute nun geht es zwischen EU-Chefunterhändler Michael Barnier und Brexit-Minister David Davis um konkrete inhaltliche Fragen.
Das sind die drei Hauptthemen
- Die Zukunft von EU-Bürgern in Grossbritannien sowie Briten in EU-Ländern
- Geldforderungen der EU an London
- Die künftige EU-Grenze zu Nordirland
SRF News: Wo liegen die Knacknüsse bei den Verhandlungen?
Oliver Washington: Es gibt verschiedene grosse Probleme – beispielsweise bei der Grenze zwischen Nordirland und Irland: Wenn das Vereinigte Königreich aus der EU und damit aus der Zollunion und dem Binnenmarkt austritt, wird die Grenze zwischen Nordirland und Irland zur harten EU-Aussengrenze. Das möchte man aber vermeiden, um den Friedensprozess in Nordirland nicht zu gefährden. Wie eine Lösung dafür aussehen könnte, ist aber noch völlig unklar.
Die EU möchte zuerst die Formel aushandeln, aufgrund deren Grundlage berechnet wird, wieviel London noch an die Brüssel bezahlen muss.
Ein weiteres Problem sind die Rechte der EU-Bürger, die in Grossbritannien leben. Hier fordert die EU, dass sich diese Menschen, wenn es um ihr Aufenthaltsrecht in Grossbritannien geht, an den Europäischen Gerichtshof EuGH als oberste Instanz wenden können. London sagt dazu aber kategorisch nein. Es gibt also inhaltliche Differenzen. Das grösste Konfliktpotential liegt meines Erachtens schliesslich beim Geld.
Zeichnet sich dort eine Übereinstimmung ab?
Bis jetzt noch nicht. Die EU möchte zuerst die Formel aushandeln, aufgrund deren Grundlage berechnet wird, wie viel London noch an die EU bezahlen muss. In einem zweiten Schritt würde diese Formel dann mit den konkreten Summen gefüllt, und am Schluss hätte man eine Zahl. Das Problem dieses Vorgehens ist, dass die Schlusszahl nicht Bestandteil der Verhandlung ist und deshalb von keiner Seite bei den Verhandlungen eingesetzt werden kann. Die britische Regierung hat zwar noch nichts Konkretes dazu gesagt, so wie ich sie verstehe, möchte sie genau diese Zahl aber für die Verhandlungen einsetzen. Bei diesem Vorgehen haben gibt es also grundsätzliche Differenzen.
Die britische Regierung hat vergangene Woche ein Positionspapier zu einem Thema veröffentlicht, das für die EU gar nicht zur Debatte steht.
Ist man sich im Grundsatz einig darüber, über was wann gesprochen werden soll?
Jein. Die drei grossen Hauptthemen sind gesetzt, das ist klar. Interessanterweise hat die britische Regierung vergangene Woche aber auch ein Positionspapier zu einem Thema veröffentlicht, das für die EU gar nicht zur Debatte steht: die beiden EU-Agenturen, die in London ansässig sind – also die Arzneimittelagentur und die Banken-Aufsichtsbehörde. Für die EU ist klar, dass diese beiden Agenturen London verlassen müssen. Der Prozess, sie in eines der 27 EU-Länder umzusiedeln, hat bereits begonnen. Die britische Regierung schlägt nun also vor, dass die beiden Agenturen noch länger in London bleiben können – also etwas, das für Brüssel überhaupt kein Thema ist.
Was ist von der ersten Verhandlungswoche an Resultaten zu erwarten?
Es geht in der ersten Woche im Grundsatz darum, dass die beiden Seiten definieren, wo sie bei den Hauptthemen auf einer Linie sind und wo es noch Differenzen gibt. Neben den grossen Differenzen gibt es unzählige kleine Probleme zu bewältigen. Für die EU wäre es wichtig, dass sich die britische Regierung zur Zahlungsverpflichtung bekennt – also zum Vorgehen, zuerst die Formel, dann die Schlusszahl. Wenn das erreicht würde, wäre es viel für die erste Woche.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer
«Wer hat hier den Papierkram vergessen?»
Bilder aus dem Verhandlungszimmer weckten in britischen Medien Bedenken an der Vorbereitung der Regierung auf den Brexit-Prozess. Sie zeigen den Brüsseler Verhandlungsführer Michel Barnier mit seinem zweiköpfigen Team – jeweils mit einem Stapel Papieren. Bei David Davis, dem britischen EU-Botschafter, und einem weiteren Verhandler waren dagegen gar keine Papiere zu sehen, sondern nur ein dünnes, schwarzes Notizbuch. «Vielleicht haben sie ein hervorragendes Gedächtnis oder vielleicht haben sie die Papiere auch unter dem Schreibtisch versteckt», schrieb der linksliberale «Guardian». «Alternativ könnte dies aber auch ein Hinweis darauf sein, dass all die EU-Klagen über eine britische Regierung, die nicht weiss, was sie will in den Gesprächen, nicht ganz unbegründet sind.» Selbst die regierungsfreundliche «Daily Mail» schrieb: «OK, wer hat hier den Papierkram vergessen?». |
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