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Flüchtlinge auf einem Schlepperschiff
Legende: Schlepperschiff mit 281 Flüchtlingen an Bord vor der Küste Kalabriens (Italien). Keystone
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International «Das ist keine gute Idee»

Die EU möchte das Schlepper-Unwesen in Libyen an der Wurzel bekämpfen – möglicherweise auch mit militärischen Mitteln. Ein libyscher Diplomat zeigt sich skeptisch.

Die EU hat darüber beraten, wie sie den Menschenhandel über das Mittelmeer bekämpfen kann. Zur Debatte stand auch der Vorschlag, Schiffe direkt vor der libyschen Küste zu versenken, noch bevor sie von den Schleppern auf den Weg gebracht werden. In Libyen stösst diese Idee aber auf Skepsis.

Das sei «keine gute Idee», sagt Ibrahim al-Dabaschi, UN-Botschafter der international anerkannten libyschen Regierung. «Es wird sehr schwierig sein, Fischerboote und Schmugglerboote voneinander zu unterscheiden. Für die Fischer könnte das katastrophal werden», sagte al-Dabaschi gegenüber dem amerikanischen Journal «Foreign Policy».

Gegen die Einmischung von aussen

Dabei kontrolliert al-Dabaschis Regierung gar nicht die Küsten, von denen aus die Flüchtlingsschiffe in See stechen. Libyen ist derzeit tief gespalten. Die eher weltliche, international anerkannte Regierung sitzt weit im Osten, in Tobruk und Al-Baida. Im Westen mit den Hauptschmuggelhäfen Sabratha, Suwara und Al-Chums haben diverse Milizen das Sagen. Sie sind mit der islamistischen Gegenregierung in der Hauptstadt Tripolis verbunden.

Trotz der Gespaltenheit des Landes teilen viele Bürger die Meinung des Botschafters al-Dabaschis in Bezug auf die Planspiele der EU. «Das zeigt nur, wie diese EU-Politiker auf die Souveränität unseres Landes pfeifen», meint etwa der 35-jährige Hassan Al-Kib aus Tripolis. «Die Aktion wird ihnen ausser hohen Kosten nichts bringen», fügt er hinzu.

Nicht nur die Schlepper profitieren

In Suwara, 90 Kilometer westlich von Tripolis, arbeitet der 39-jährige Murad al-Suwari als sogenannter «Koordinator» für Schmuggeloperationen. «Da gibt es Menschen mit ganz verschiedenen Aufgaben», erklärt er den komplexen organisatorischen Hintergrund dieses Geschäfts. «Der eine wirbt die ‹Kunden› an, die nach Europa wollen. Ein anderer vermietet sein küstennahes Landwirtschaftsgebäude als temporäres Quartier. Und dann ist da der Typ, der die Strippen zieht, der das Geld einsammelt und dann am Tag X sagt: ‹Das Boot ist bereit, geht zum Strand!›»

Meist steigen die Flüchtlinge in Schlauchboote, die sie zu einem weiter draussen vor Anker liegenden Schiff bringen. Häufig hat es der Schlepper-Chef Fischern abgekauft. In seiner Kalkulation ist der Kaufpreis ein Abschreibposten. Er geht von vornherein davon aus, dass der Kahn bei der Aktion verloren geht.

Schmuggler holen Schiffe zurück

Das Sinken der heillos überfüllten Schiffe ist zynischerweise einkalkuliert. Denn es erhöht den Druck auf die italienische Küstenwache, die Flüchtlinge zu retten, um nicht erneut eine Katastrophe mit 800 Toten wie im Vormonat hinnehmen zu müssen. Sinkt ein Schiff nicht, treibt es nach der Rettung der Flüchtlinge auf dem offenen Meer. Beauftragte des Schlepperrings holen es bei Gelegenheit zurück nach Libyen. Es kann dann noch einmal verwendet werden und zusätzlichen Profit für die Schlepper abwerfen.

Die Strippenzieher dieses schmutzigen Geschäfts wären idealerweise das Ziel kühner Zugriffsaktionen von Militärkommandos williger EU-Staaten. Schlafen sie unruhig seit dem Bekanntwerden der EU-Pläne? Al-Suwari lacht auf. «Das sind Menschen mit grausamen Herzen», kontert er. «Sie lassen sich nicht von ihrem Treiben abbringen, so lange jemand bereit ist, dafür viel Geld zu bezahlen.»

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