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Gelbe Karte für die Türkei
Aus Rendez-vous vom 21.07.2017. Bild: Reuters
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Gelbe Karte für die Türkei «Deutschland sendet ein deutliches Signal»

Es war eine klare Ansage der deutschen Regierung an die Türkei. Eine, die der Wirtschaft des Landes langfristig schaden könnte, sagt ARD-Journalist Reinhard Baumgarten in Istanbul.

  • Der deutsche Aussenminister Sigmar Gabriel hat davon abgeraten, in der Türkei zu investieren, und droht, die Verhandlungen zur Erweiterung der Zollunion zu stoppen.
  • Zudem verschärft Deutschland die Reise- und Sicherheitshinweise für die Türkei.
  • Was in dem Land passiere, sei willkürlich. Rechtssicherheit gebe es nicht mehr, sagte Gabriel, nachdem mehrere deutsche Journalisten in der Türkei festgenommen wurden.

SRF News: Schmerzt es Ankara, wenn Deutschland von Investitionen abrät?

Reinhard Baumgarten: Das wird der Türkei mittelfristig schon ziemlich weh tun – langfristig sowieso. Deutschland war in den letzten Jahren immer unter den Top 5 der Länder, die Direktinvestitionen in der Türkei tätigten. In der Türkei lassen derzeit etwa 6800 deutsche Betriebe produzieren. Das schafft auch Arbeitsplätze.

Verlieren diese Unternehmen ihre Rechtssicherheit?

So dramatisch ist es nicht. Wir haben zwar zum Einen die Aussage von Aussenminister Gabriel, dass in der Türkei keine Rechtssicherheit mehr herrsche. Das gilt natürlich für Konzerne wie Siemens genauso wie für den kleinen Mittelständler aus Baden-Württemberg. Aber zum Anderen haben wir auch die Aussage, man werde über die Vergabe von Hermesbürgschaften nachdenken.

Es ist eine Rhetorik, die möglicherweise Ratingagenturen beeindruckt.

Das bedeutet, dass zum Beispiel eine Firma, die in der Türkei eine Produktionsstätte aufbauen möchte, 250 oder 300 Arbeitsplätze schaffen und dafür 40 oder 50 Millionen Euro investieren will, das gerne tut, wenn sie sich mit einer Bürgschaft absichern kann. Wenn der türkische Partner in Schwierigkeiten gerät, steht Deutschland mit einer Bürgschaft ein. Ohne diese Bürgschaft und angesichts der fehlenden Rechtssicherheit wird es sich die Firma aber überlegen.

Ist es möglich, dass andere EU-Länder dem Beispiel folgen werden?

Gabriel hat nicht dazu aufgerufen, nicht mehr zu investieren. Er hat nur davor gewarnt. Es sagte, das sei schwierig in einem Land, in dem keine Rechtssicherheit herrsche. Das ist zwar nur Rhetorik. Es ist aber eine Rhetorik, die möglicherweise Ratingagenturen beeindruckt, wenn sie sich die Kreditwürdigkeit der Türkei anschauen. Es könnte sein, dass das Land heruntergestuft wird. Und das beeinflusst wiederum die globale Unternehmerschaft, die sich sagt: Das Risiko in der Türkei wird grösser.

Ist die Zollunion für die Türkei wichtiger als für Deutschland?

Deutschland ist beim bilateralen Handel die Nummer 1 unter den türkischen Partnerstaaten in der EU. Es geht um 30 bis 40 Milliarden Dollar jährlich. Und die EU ist mit über 50 Prozent unbestritten der wichtigste Handelspartner der Türkei. Insofern ist es regelrecht töricht, wenn diese beiden Seiten über Kreuz liegen.

Es ist regelrecht töricht, wenn Deutschland und die Türkei über Kreuz liegen.

Auch Reisehinweise wurden verschärft. Ein Dämpfer für den Tourismus?

Es ist ein deutliches Signal. Gabriel sagte, in einem Land, in dem willkürlich verhaftet wird, kann es auch Touristen treffen. Ich sehe das als gelbe Karte. Die nächste Stufe wären Reisewarnungen. Aber das wäre eine andere Liga, bei der es dann um Versicherungsschutz und Reiserücktrittsrechte geht. Wenn das passiert, dürfte die Anzahl deutscher Touristen um 70 bis 80 Prozent sinken.

Kuoni-Sprecher Marcel Schlatter: «Massive Verluste in den Büchern»

Die Türkei als Reiseziel ist auch für Schweizer Touristinnen und Touristen deutlich weniger gefragt als früher. Wegen Terrorangst und politischer Instabilität, insbesondere nach dem Putschversuch vor Jahresfrist, seien die Buchungen für die Türkei deutlich eingebrochen, sagt Marcel Schlatter, Sprecher des Reiseanbieters Kuoni: «Wir haben im Vergleich zum Vorjahr etwa 50 Prozent verloren. Das sind massive Einbrüche, die man dann in den Büchern hat.» Dazu müsse man wissen: «Die Türkei ist nicht irgendeine Destination. Die Südtürkei war über Jahre hinweg eine der beliebtesten Feriendestinationen bei Schweizern. Das sind massive Verluste.»

Das Gespräch führte Simon Leu.

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