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International «Die Krim könnte nur die Vorspeise sein»

Der Westen verhängt Sanktionen – vorerst nur zögerlich. Denn man will weiter mit Wladimir Putin verhandeln. Der Politikprofessor und EU-Russland-Experte, Eberhard Schneider, ist skeptisch, ob dies zum Ziel führt. Putin könnte nun auch Blut geleckt haben.

SRF: Wieso hat der Westen Sanktionen verhängt, die kaum wirken werden? Spielt er auf Zeit?

Zur Person

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Eberhard Schneider ist Politologieprofessor im deutschen Siegen und Europa-Russland-Spezialist. Er ist auch Berater beim EU-Russland-Center in Brüssel.

Eberhard Schneider: Der Westen hat offensichtlich keine anderen Möglichkeiten mehr. Theoretisch gäbe es die Möglichkeit, diese Aggression einfach hinzunehmen, also zu sagen: ‹Wenn Putin die Möglichkeiten hat, in Europa die Grenzen zu verschieben, dann macht er das eben.› Die andere extreme Reaktion wäre es, Militär einzusetzen, was aber zu einer Eskalation führen würde. Sanktionen sind deshalb der Ausweg, um irgendetwas zu machen, auch wenn man weiss, dass es die andere Seite nicht sehr beeindrucken wird.

Der Westen könnte schon am Donnerstag, beim EU-Gipfel, schärfere Sanktionen beschliessen. Wie müssten solche denn aussehen, damit sie Putin beeindrucken?

Sie müssten Wirtschaftszweige betreffen, in denen Russland abhängig ist von westlichen Importen. Hier gäbe es viele Möglichkeiten. Doch solche Sanktionen würden auch jene treffen, die sie verhängen – und das ist, worauf Putin spekuliert. Er hofft, dass der Westen genau davor zurückschreckt.

Sie sagten vor dem Krim-Referendum, Putin werde vor der Abstimmung keinen Dialog wollen. Wie sieht es denn jetzt aus? Jetzt hat er ja erreicht, was er will...

Audio
«Ich bin skeptisch, ob Putin im Moment überhaupt dialogfähig ist»
aus Echo der Zeit vom 17.03.2014.
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 5 Sekunden.

Es ist die Frage, ob er tatsächlich erreicht hat, was er will. Auf der Krim sind 20'000 russische Soldaten stationiert. Sie sind auch mit Raketen ausgerüstet. Die Krim könnte nur die ‹Sakuska› sein – die Vorspeise. Von der Krim aus könnten sich die russischen Soldaten in Richtung Nordwest bewegen, könnten Odessa einnehmen und wenn sie noch etwas weiterlaufen, kommen sie nach Transnistrien. Es ist auch durchaus möglich, dass sich die Lage in der Ostukraine zuspitzt. Der Sicherheitsrat Russlands hat die Aktion «Russischer Frühling» beschlossen. Da könnte es durchaus sein, dass es in den acht russischen Gebieten in der Ostukraine zu Unruhen kommt und unter diesem Vorwand russische Truppen einmarschieren, um die russische Bevölkerung vor Ort zu schützen. Ich bin überhaupt nicht sicher, ob die Krim die letzte Station in Putins Machtspiel ist. Die jetzigen Sanktionen sind absichtlich vorsichtig abgehalten, um Putin noch die Möglichkeit zu geben, eine weitere Eskalation zu vermeiden. Es wird sich zeigen, ob das aufgeht.

Sehen Sie eine Möglichkeit für einen Dialog, bei dem ein «beleidigter Putin» sein Gesicht wahren könnte?

Man könnte eine Kontaktgruppe bilden, wie das von deutscher Seite vorgeschlagen wurde. Dort könnte eine neue, föderative Verfassung für die Ukraine ausgearbeitet werden. Die Ukraine kann derzeit auch nicht der Nato beitreten, dies verhindert ein bestehendes Gesetz, das eine militärpolitsch neutrale Ukraine vorschreibt. Auch würde die Nato nie ein Mitglied aufnehmen, auf dessen Territorium fremde Truppen stationiert sind. Doch: Putins früherer Wirtschaftsberater, Andrej Illarionow, sagt, der Präsident sei nicht ansprechbar, er befinde sich auf einer historischen Mission. Wie im russischen Sprichwort dargelegt: er sammelt die russische Erde ein. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte einmal, Putin lebe in einer anderen Welt. Ich bin skeptisch, ob Putin im Moment überhaupt dialogfähig ist.

Die Krim-Bewohner hoffen nun auf eine bessere wirtschaftliche Stellung. Doch: Wasser und Strom erhält die Krim aus der Ukraine, auch einen erheblichen Teil des Budgets. Der Anschluss der Krim kommt Russland womöglich teuer zu stehen...

Das ist richtig, man schätzt die Summe auf etwa fünf Milliarden Dollar. Meine These ist: Die restliche Ukraine, die Putin nicht vereinnahmen will, wird sich rasch und eng an die EU anschliessen. Das Assoziierungsabkommen wird schon am Wochenende unterzeichnet. Es könnte sein, dass diejenigen in der Süd- und Ostukraine, denen es nicht rasch genug gehen konnte, nach Russland zu kommen, dies in fünf oder zehn Jahren bereuen könnten.

Das Interview führte Simone Fatzer

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