- Vor einer Woche hat Donald Trump mit Taiwans Präsidentin telefoniert. Peking empfindet dies als Affront.
- Jetzt hat der gewählte US-Präsident nachgelegt und gegenüber Fox News gesagt, er sehe nicht ein, wieso er sich ohne Gegenleistung Pekings an die bisherige US-Haltung der Ein-China-Politik halten sollte.
- In China kommt das schlecht an, wie die Reaktionen von Staatsmedien zeigen.
SRF News: Was bedeutet die neuste Aussage des künftigen US-Präsidenten für China?
Martin Aldrovandi: Die Ein-China-Politik ist für Peking nicht verhandelbar. Taiwan ist für China eine Provinz des Landes und nicht ein selbständiger Staat. Nur ganz wenige, kleine Länder auf der Welt anerkennen Taiwan diplomatisch – weil sie im Gegenzug wirtschaftliche Hilfe erhalten. Die allermeisten Länder der Welt dagegen anerkennen die Ein-China-Politik, auch die USA. Bis jetzt.
Warum ist diese sogenannte Ein-China-Politik für Peking derart wichtig?
Taiwan ist für China ein fester Bestandteil seines Territoriums. Aus Sicht Pekings können andere Länder also nicht beide Staaten diplomatisch anerkennen. Sie müssen sich für eine Seite entscheiden. Die USA anerkennen die Ein-China-Politik offiziell seit Ende der 1970er-Jahre. Die Schweiz tut das schon wesentlich länger. Das heisst nicht, dass Taiwan keine Beziehungen zu anderen Staaten hätte. Das geschieht aber über inoffizielle Kanäle und Vertretungen. So gibt es in Taiwan etwa das «American Institute», das quasi die Funktion einer amerikanischen Botschaft hat. Es darf jedoch nicht so heissen.
Das Verhältnis Taiwan-China
Als sich 1949 im chinesischen Bürgerkrieg für Regierung und Elite eine Niederlage abzeichnete, zogen sich diese auf das dem Festlandchina vorgelagerte Taiwan zurück, das nach dem Zweiten Weltkrieg China zugeschlagen worden war. Während Jahrzehnten regierte danach die Kuomintang-Partei auf Taiwan. Heute ist die sogenannte Republik China auf Taiwan ein hochentwickelter, demokratischer Industriestaat. Peking seinerseits unterstreicht seine Androhung einer Rückeroberung Taiwans mit Raketen, die auf die Insel zielen, wo 23 Millionen Menschen leben. Gleichwohl ist China Taiwans grösster Handelspartner. Umgekehrt ist die Insel einer der grössten Investoren in der Volksrepublik. |
Nun bricht Trump das Tabu der Ein-China-Politik rhetorisch. Wie reagiert man darauf in China?
Die staatlichen Medien haben deutlich und recht heftig reagiert. Sie schreiben, dass Trump «naiv» sei und «politisch unerfahren». Er habe von Diplomatie so wenig Ahnung «wie ein Kind», stand etwa in der Parteizeitung «Global Times». Peking könne Taiwan auch militärisch zur Wiedervereinigung mit China zwingen, falls Trump die Ein-China-Politik der USA offiziell aufgeben sollte, hiess es dort weiter. Trump sei ein Geschäftsmann und er denke, man könne über alles verhandeln. Dabei vergesse er, dass die Ein-China-Frage nicht verhandelbar sei.
Was bedeutet Trumps provokative Aussage für die Beziehungen zwischen Washington und Peking?
Es kommt darauf an, wie sich Trump nach Amtsantritt am 20. Januar verhalten wird. Vor einigen Tagen hat er einen chinafreundlichen US-Botschafter in Peking ernannt, was in China sehr gut ankam. Weniger gut kam das Telefonat mit der taiwanischen Präsidentin und jetzt das TV-Interview an. Trump ist für Peking Neuland. Man hofft wohl, dass er künftig auf solche Aussagen verzichten und in der Realpolitik eine weniger harte Linie verfolgen wird.
Das Gespräch führte Susanne Schmugge.