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International «Griechen leben an der Grenze des Zumutbaren»

Der öffentliche Verkehr, die Fähren, die Nachrichtensender – alles steht still in Griechenland. Der Grund für den Generalstreik: Dem Land gehts finanziell miserabel und die Regierung muss sparen. Doch wo genau soll noch gespart werden? Der Journalist Gerd Höhler gibt Antworten.

Das griechische Parlament berät derzeit über Rentenkürzungen und Steuererhöhungen.

Gerd Höhler

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Der deutsche Journalist Gerd Höhler lebt seit 1979 in Athen. Er arbeitet als Korrespondent für Griechenland, die Türkei und Zypern für deutsche Tageszeitungen, darunter der «Tagesspiegel» und das «Handelsblatt».

SRF: Wen würden diese neuen Massnahmen vor allem treffen?

Gerd Höhler: Ich wüsste keinen, den sie nicht treffen würden. Alle würden zur Kasse gebeten. Vor allem die Erhöhung bei den indirekten Steuern würde alle treffen. Angefangen bei der Mehrwertsteuer über die Benzinsteuern bis hin zu höheren Steuern auf Mobilfunktelefonate und Internetanschlüsse. Sogar die Touristen werden mit einer Übernachtungssteuer geschröpft.

Wenn das Sparpaket am Sonntag durchfällt, wäre das wohl auch das Ende der Regierung Tsipras.
Autor: Gerd Höhler

Das neue Sparpaket soll bis morgen Abend durchs Parlament gehen. Warum hat es Alexis Tsipras plötzlich so eilig?

Das hat zwei Gründe. Zum einen erhofft sich Tsipras durch die Sparmassnahmen eine bessere Verhandlungsposition am Montag beim Treffen der Eurogruppe. Zum anderen will er das Sparpaket rasch durchbringen, bevor die Unruhe in der Bevölkerung noch grösser wird und bevor aus dem Rumoren in den Regierungsparteien eine offene Revolte wird. Ob er damit durchkommen wird, ist die grosse Frage. Wenn das Sparpaket aber am Sonntag durchfällt, wäre das wohl auch das Ende der Regierung Tsipras.

In Griechenland werden ja schon seit Jahren Renten gekürzt und Steuern erhöht. Trotzdem kommt das Land auf keinen grünen Zweig.

Audio
Tsipras vor entscheidender Spardebatte
aus Echo der Zeit vom 07.05.2016. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 29 Sekunden.

Ja, im Gegenteil: Trotz ständiger Steuererhöhungen gehen die Steuereinnahmen seit mehreren Jahren kontinuierlich zurück. Das liegt vor allem an der Rezession. Griechenland hat in den sechs Jahren der Krise 25 Prozent der Wirtschaftskraft verloren. Nun warnen Wirtschaftsverbände, dass die erneut höheren Steuern die Konjunktur weiter abwürgen werden. Das wäre eine Art Teufelskreis.

Es hiess immer, zu viele Leute in Griechenland zahlen keine Steuern. Hat man das korrigiert?

Das ist weiterhin ein grosses und tief verwurzeltes Problem. Die Finanzverwaltung hat das Problem bisher nicht richtig in den Griff bekommen. Die grössten Ausfälle gibt es bei der Mehrwertsteuer. Im EU-Durchschnitt werden etwa 15 Prozent der fälligen Mehrwertsteuern hinterzogen. In Griechenland ist es mit 34 Prozent mehr als doppelt so viel.

Die Steuerausfälle haben auch damit zu tun, dass viele Griechen ihre Abgaben gar nicht mehr bezahlen können.
Autor: Gerd Höhler

Manche Leute meinen, man verlangt den Griechen mit den Sparmassnahmen zu viel ab. Andere wiederum sagen, Griechenland tut zu wenig. Wie sehen Sie das?

Man verlangt den Griechen im Moment sicherlich zu viel ab. Die Steuerausfälle haben auch damit zu tun, dass viele Griechen ihre Abgaben gar nicht mehr bezahlen können. Die Arbeitslosenquote liegt bei 25 Prozent. Ein Viertel der Bevölkerung lebt an oder unter der Armutsgrenze. Es gibt viele junge Leute, die von den Renten ihrer Eltern leben. Es ist eine Bevölkerung, die nach sechs Jahren Rezession und Sparprogramm an der Grenze dessen ist, was man ihr zumuten kann.

Auch der Internationale Währungsfonds IWF sagt nun, dass den Griechen zu viel abverlangt wird und fordert einen Schuldenerlass. Wie kann Athen das ausnützen in den Verhandlungen mit den Geldgebern?

Der IWF sagt Schuldenerlass, die Europäer sagen, das ist rechtlich nicht möglich. Man wolle höchstenfalls über Schuldenerleichterungen mit sich reden lassen. Der Streit wird die Verhandlungen weiter verzögern. Wenn die Geldgeber aber nicht sehr bald neue Kreditraten freigeben, dann wird es wieder eng. Im Juli muss das Land knapp 3,7 Milliarden Euro aufbringen. Ohne neue Finanzspritzen ist das nicht zu schaffen.

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