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In Afghanistan droht ein Machtvakuum
Aus SRF 4 News aktuell vom 22.08.2017.
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US-Truppen in Afghanistan «In Afghanistan sind 20 terroristische Gruppen aktiv»

Einiges hat sich seit dem Einmarsch 2001 verändert, doch die Machtstrukturen sind gleichgeblieben. Ohne die amerikanischen Soldaten drohe in Afghanistan ein Machtvakuum, sagt Expertin Nicole Birtsch.

SRF News: Wie sinnvoll erscheint Ihnen dieser leichte Ausbau der Präsenz der US-Armee in Afghanistan?

Nicole Birtsch

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Birtsch analysiert die Lage in Afghanistan für die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.

Nicole Birtsch: Die Truppenaufstockung soll dazu dienen, die afghanischen Sicherheitskräfte weiterhin gegen die Taliban und andere terroristische Gruppen zu unterstützten. Das sollte auch zusammen mit der Nato im Training geschehen, aber auch mit gezieltem Anti-Terroreinsatz. Wie sich die Strategie heute darstellt, fokussiert Trump ganz klar auf die Bekämpfung von Terroristen. Das ist ein anderer Ansatz, als wenn man die Sicherheitskräfte ausbildet. Wie effektiv er sein wird, müssen wir abwarten. Ich denke, es wird eine Ausweitung der Mission Freedom's Sentinel der Amerikaner. Wir sprechen von Al-Kaida und dem IS und zum Teil von den Taliban.

16 Jahre ist es her, dass die US-Armee in Afghanistan einmarschiert ist. Das Afghanistan von damals und das Afghanistan von heute: Wie viel haben die noch gemeinsam?

Auf den ersten Blick haben sie nicht mehr so viel gemeinsam, wenn man sich zum Beispiel die Infrastruktur anschaut und wie die Städte gewachsen sind. Es gibt viele neue Häuser und es fahren nun viele Autos. Was hingegen das Leben der Menschen betrifft, die Denkweisen und die Beziehungs- und Machtstrukturen innerhalb der Gesellschaft, so hat sich nur bedingt etwas verändert.

Die Machtstrukturen in Afghanistan sind noch sehr patriarchal und klientelistisch ausgeprägt.

Sicherlich gibt es mehr Ausbildung, mehr Schulen, es gibt demokratische Prozesse. Das ist bestimmt anders als 2001 oder unter der Herrschaft der Taliban. Aber man sollte nicht vergessen, dass die Leute immer noch 40 Jahre Krieg in ihrer Erinnerung haben, mit sehr viel Schmerz, Verlusten und wechselnden Allianzen. Das hat sich nicht verändert. Und auch die Machtstrukturen haben sich nicht verändert. Es ist noch sehr patriarchal und klientelistisch ausgeprägt.

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Neue Afghanistan-Strategie
Aus Tagesschau vom 22.08.2017.
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Inwiefern sind die Verbesserungen, die Sie aufgezählt haben, auf den militärischen Einsatz der USA und ihrer Partner zurückzuführen?

Es war wichtig, dass die internationalen Truppen 2001 einmarschiert sind, um das Taliban-Regime zu vernichten oder zu vertreiben. Das viele Geld, das man hineingepumpt hat, hat einen grossen Einfluss gehabt, allerdings nicht unbedingt nur positiven. Es ist auch sehr viel Geld hineingeflossen, das gar nicht richtig in den gesellschaftlichen Prozessen absorbiert werden konnte. Dies hat die Korruption gefördert, unter der das Land sehr stark leidet.

Wer hält denn zur Zeit die Fäden in der Hand in Afghanistan?

Es gibt drei Ebenen: Erstens sind es die Regierung und regionale Machthaber, direkt gefolgt von einem Ring um die Regierung herum. Das sind ehemalige Mudschaheddin, Kriegsgewinnler, lokale Grössen. Es ist immer ein Austarieren der verschiedenen Mächte des Landes. Sie bilden temporäre Allianzen.

Zweitens sind es die Nachbarn: Pakistan ist der wesentliche Nachbar, aber auch Iran, Indien und Russland. Sie beeinflussen zum einen die politischen Führer, andererseits nimmt man auch von Iran und Russland an, dass sie die Taliban im Kampf gegen den IS unterstützen. Von Pakistan weiss man es ja. Sie können auf die Taliban mehr Einfluss nehmen. Wenn die Taliban stärker werden würden, zum Beispiel in der Politik, haben so die Nachbarländer die Möglichkeit, die afghanische Politik zu beeinflussen. Drittens sind es die USA. Mit der Ankündigung ihrer Strategie wird nochmal deutlich, wie viel Einfluss die Amerikaner haben.

Mit jeglicher Schwächung der Regierung wird die Wahrscheinlichkeit grösser, dass Afghanistan wieder ein Rückzugs- und Planungsort für terroristische Gruppen wird.

Rund 100’000 Angehörige der US-Armee waren zu Spitzenzeiten (2011) in Afghanistan. Donald Trump hat sich dafür entschieden, den Einsatz zu verlängern. Was wollen – und können – die USA damit noch erreichen?

Wenn die Amerikaner ihre Truppen abzögen, entstünde ein Machtvakuum, sagt Trump. Das ist sicher so. Deshalb belässt er Truppen dort. Es könnte ein Bürgerkrieg ausbrechen oder die Taliban könnten wieder die Macht übernehmen.

Mit jeglicher Schwächung der Regierung wird die Wahrscheinlichkeit grösser, dass Afghanistan wieder ein Rückzugs- und Planungsort für terroristische Gruppen werden wird. Das ist die grosse Befürchtung und das treibt die Regierung Trump auch an, weiter dortzubleiben und auf die Bekämpfung des Terrorismus zu fokussieren und nicht weiter den Staat aufzubauen. Ihr Ziel ist sicherlich, die terroristischen Gruppierungen wie Al-Kaida und IS und weitere zu bekämpfen. Es agieren etwa 20 terroristische Gruppierungen in Afghanistan und in Pakistan. Was die Taliban betrifft, bleiben die Amerikaner noch vage. Man könnte sich vorstellen, einzelne Taliban zu reintegrieren.

Wie viel ihres ursprünglichen Zieles haben die Amerikaner in Afghanistan schon erreicht?

Wenn man als ursprüngliches Ziel betrachtet, dass von Afghanistan aus keine Angriffe mehr auf die USA ausgeführt werden sollen, ist schon einiges erreicht worden. Bis vor kurzem waren die Taliban noch die starke Macht, aber die haben ganz klar gesagt, dass sie nicht daran interessiert sind, ausserhalb von Afghanistan zu agieren. Sie wollen Afghanistan mit islamistischen Regeln regieren, aber sie wollen nicht globalen Terrorismus fördern.

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